Süddeutsche Zeitung

Mali:Abstimmen im Krisenmodus

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Die Präsidentschaftswahlen in dem westafrikanischen Staat sind von Gewalt überschattet. Als Favorit gilt Amtsinhaber Ibrahim Boubaca Keïta.

Von Anna Reuß, München

An diesem Sonntag stellt sich Malis amtierender Präsident Ibrahim Boubaca Keïta zur Wiederwahl, nachdem er das Amt vor fünf Jahren übernommen hatte. Sein wichtigster Herausforderer heißt heute wie damals Soumaila Cissé. Beobachter rechnen damit, dass es wegen der großen Anzahl an Kandidaten wie bereits 2013 zu einer Stichwahl kommen wird. Obwohl viele nicht mehr daran glauben, dass das Land unter seiner Führung zur Ruhe kommt, gilt Keïta auch diesmal als Favorit.

Als er damals antrat, hatte er den Maliern Stabilität und wirtschaftlichen Aufschwung versprochen, doch diese Hoffnung ist längst der Ernüchterung gewichen: Mali, das zu den zehn ärmsten Ländern der Welt zählt, leidet unter Korruption und hoher Arbeitslosigkeit. Der westafrikanische Binnenstaat, der 1960 von Frankreich unabhängig wurde, erholt sich nur schwer von der politischen Krise, die Separationsbestrebungen der Tuareg im Norden und ein Militärputsch im Jahr 2012 ausgelöst hatten.

Trotz einer UN-Friedensmission, an der sich mehr als 50 Nationen beteiligen, kann von Frieden keine Rede sein. Radikale Islamisten haben große Gebiete unter ihre Kontrolle gebracht. Sie machen sich die Schwäche der Sahelstaaten zunutze und finanzieren mit Entführungen und Drogenschmuggel ihre Expansion. Seit Beginn der UN-Mission, an der sich auch die Bundeswehr beteiligt, hat sich die Sicherheitslage dramatisch verschlechtert. Die Islamisten konnten seither ihre Gebiete sogar ausweiten. Gruppen wie die Jamaat Nusrat al-Islam wal-Muslimin und Ableger von al-Qaida und des "Islamischen Staates" terrorisieren die Bevölkerung. Immer wieder kommt es zu Angriffen. Erst vergangene Woche wurden bei einem Überfall ein Soldat und elf Extremisten getötet. Im ersten Halbjahr 2018 kamen 932 Menschen ums Leben. Die Islamisten exportieren ihre Ideologie auch in die Nachbarländer, über die porösen Grenzen nach Niger oder Burkina Faso und zunehmend in das bisher als stabil geltende Senegal. Die Hoffnungen, die 2015 mit einem Friedensvertrag zwischen Regierung und Rebellen einhergingen, erfüllten sich nicht. Seitdem hat sich die Zahl der Anschläge im Land verdreifacht. Auch kam es zu Übergriffen von Mitgliedern der Armee auf Zivilisten. Der 73-jährige Keïta steht deshalb einer wachsenden politischen Opposition gegenüber, insbesondere einer unzufriedenen Jugend, die bezweifelt, dass er den Norden befrieden und die Nation einen kann. Beobachter rechnen mit einer niedrigen Wahlbeteiligung.

Angesichts der Probleme wird im Land über eine radikale Idee debattiert: Einige frühere Politiker werben dafür, mit Dschihadisten in den Dialog zu treten und über Frieden zu verhandeln. Fast 56 Prozent der Bevölkerung sprechen sich laut einer Umfrage dafür aus. Die Befürworter argumentieren, man könne durch Zugeständnisse an die malischen Islamisten ausländische Kämpfer in deren Reihen isolieren und ihren Einfluss zurückdrängen.

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Quelle:
SZ vom 28.07.2018
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