Süddeutsche Zeitung

Luftfahrt:Schauergeschichten

Lesezeit: 2 min

Flugzeuge lassen massenhaft Kerosin ab. Auch um Geld zu sparen?

Von Jan Heidtmann

Dass die Mächtigen dieser Welt die nicht ganz so Mächtigen mit allerlei fiesen Kniffen zu beherrschen versuchen, das ist ja hinlänglich bekannt. Nur die Methoden, die sie dabei anwenden, sind immer wieder andere. Eine besonders perfide ist solchen Verschwörungstheorien zufolge regelmäßig am Himmel zu beobachten: Die Streifen kondensierten Wassers, die Flugzeuge hinter sich lassen, seien in Wahrheit Chemikalien. Diese sollen die Menschen gefügig machen.

Das ist natürlich Unsinn, aber wie bei den meisten solcher Hirngespinste existiert ein realer Hintergrund. Zwar sind es keine Psychopharmaka, die Flugzeuge ablassen bei Notfällen, aber immerhin Hunderte Tonnen Kerosin im Jahr allein über Deutschland. Besonders betroffen ist die Gegend um den Flughafen Frankfurt, aber auch Bayern. Dort wurden 2015 und 2016 400 Tonnen abgelassen, im vergangenen Jahr 34 - immer noch rund 240 Badewannen voller Treibstoff. Die meisten davon über Niederbayern: Piloten sind angehalten, nach weniger besiedelten Gebieten für ihr "Fuel Dumping" zu suchen.

In Rheinland-Pfalz formiert sich nun Widerstand. Mehr als 77 000 Unterstützer haben bisher eine Petition der Initiative "Pro Pfälzerwald" unterschrieben; die Landesregierung fordert, dass die Deutsche Flugsicherung besser über den Kerosinregen informiert. Anlass war, dass am 30. Juli eine Frachtmaschine der Firma Cargolux gleich nach dem Start ihren Flug nach Singapur abbrechen musste. Etwas stimmte mit dem Fahrwerk nicht. Bevor der Pilot wieder in Luxemburg landete, ließ er am Rande des Pfälzer Waldes die Rekordmenge von 92 Tonnen Kerosin ab. "Der Unmut in der Region wird immer größer", sagt Ulla Kern von "Pro Pfälzerwald". Denn so wie der Flugverkehr zunimmt, nehme auch die Menge abgelassenen Kerosins zu. In Bayern, dem zweitgrößten Ablassgebiet, verlangte der SPD-Politiker Markus Rinderspacher immer wieder Auskunft über die Folgen des Enttankens. Doch die Staatsregierung wiegelte regelmäßig ab: Ihr sei keine Gefahr für den Menschen bekannt.

Das kann sogar zutreffen - viele Experten gehen davon aus, dass sich der größte Teil des abgelassenen Kerosins verflüchtigt, nur ein kleiner Rest gelange zum Boden. Doch wie viel, das weiß keiner so genau. Ähnlich ist es mit den Folgen für die Umwelt. Die letzte belastbare Studie dazu stammt aus dem Jahr 1989, seitdem werden dem Treibstoff jedoch wesentlich mehr giftige Zusätze beigemischt.

Auch eine weitere Annahme über den Treibstoffablass scheint nun fragwürdig zu sein. Fluggesellschaften und Politiker rechtfertigen das Notmanöver meist mit der Sicherheit der Passagiere. Die sei bei Langstreckenmaschinen nur gewährleistet, wenn das Gewicht beim Landen deutlich unter dem beim Start liege. Tatsächlich scheinen jedoch auch die Kosten eine Rolle zu spielen. Airbus und Boeing räumen ein, dass ihre Flugzeuge selbst mit Übergewicht gut landen können. Das Problem sei aber, so die Hersteller, dass solche Landungen langwierige Inspektionen nach sich ziehen können. Die kosten Zeit und Geld, oft mehr als der Treibstoff. "Aus wirtschaftlichen Gründen sollte aber kein Kerosin abgelassen werden", sagt die Grünen-Bundestagsabgeordnete Daniela Wagner.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4229191
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 28.11.2018
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.