Süddeutsche Zeitung

Lüneburger Heide:Rechter Spuk im Landhotel

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Rechtsextremisten nisten sich in einem kleinen Ort in der Lüneburger Heide ein - der Bürgermeister hofft auf Hilfe von der Justiz.

Jens Schneider

Hans-Werner Schlitte hatte auf eine schnelle Lösung gehofft. Am Freitag sollte es eine gerichtliche Entscheidung geben. "Wir hoffen doch, dass der Spuk bald vorbei ist", sagt er. "Kein Bürgermeister will Rechtsradikale in seinem Ort." Aber nun muss der Bürgermeister von Faßberg weiter warten, und er und die 7000 Faßberger müssen weiter mit den Rechtsextremisten im Ort leben, mindestens bis zur kommenden Woche.

Seit dem 17. Juli schon halten Rechtsextremisten das schon ein wenig verfallene Hotel "Landhaus Gerhus" in dem kleinen Ort in der Lüneburger Heide im Landkreis Celle besetzt. Die Polizei spricht von einer "Inbesitznahme durch Personen der Neonazi-Szene". Die Gruppe wird der "Kameradschaft 73" aus Celle zugerechnet.

Warnschilder gegen Unbefugte

"Das sind Leute, die auch hinlangen, wenn sie meinen, dass sie provoziert werden", hat der Präsident des niedersächsischen Verfassungsschutzes, Günther Heiß, über sie gesagt. "Ich kann mir vorstellen, dass sie durchaus handgreiflich werden." An der Fassade des Hotels hängt ein Transparent mit der Aufschrift "Nationaler Widerstand Celle". Mit Warnschildern werden Unbefugte vor dem Zutritt gewarnt.

Doch wer ist befugt? Genau diese Frage, wer hier zum Zutritt befugt ist, ist bisher nicht geklärt. Nur deshalb konnte die bizarre und für Faßberg gespenstische Situation rund um das alte Hotel am Stadtrand entstehen.

Das Landhaus stand seit langem leer. Der Bürgermeister der kleinen Stadt hat nach Lösungen gesucht. Er fand auch einen Investor für ein Pflegeheim und wollte sein Vorkaufsrecht wahrnehmen. Doch den Besitzern, einer Erbengemeinschaft, habe der Preis nicht ausgereicht, sagt Schlitte. Schließlich wurde der Insolvenzverwalter Jens Wilhelm eingesetzt. Er stellte das Objekt unter Zwangsverwaltung und ließ die Schlösser der Türen auswechseln.

Motive unklar

Dann aber tauchte der als Rechtsextremist bekannte Hamburger Anwalt Jürgen Rieger auf, wieder einmal. Er spielt oft eine Rolle, wenn Kommunen in Norddeutschland plötzlich in der Sorge leben müssen, dass sich in ihrer kleinen Stadt Rechtsextremisten einnisten. Nicht selten ist bei solchen Geschichten der Eindruck entstanden, dass Immobilienbesitzer mit der Angst vor Rieger und seinen Leuten den Verkaufspreis für ihre schwer verkäuflichen Objekte nach oben treiben wollten. Auch im Landkreis Celle gibt es diese Vermutung.

Tatsächlich sind Riegers Absichten unklar. Er wolle, so heißt es seit langem, ein Schulungszentrum für die rechtsextreme Szene aufbauen. In Faßberg ist nun zum ersten Mal ein Gebäude besetzt worden. Zur Begründung wurde ein Pachtvertrag für das Hotel vorgelegt. Dieser Vertrag mit den bisherigen Eigentümern soll laut Datum genau einen Tag vor dem Termin abgeschlossen worden sein, an dem die Zwangsverwaltung begann.

Vertrag wird bezweifelt

Per Fax informierte der rechtsextreme Anwalt den Zwangsverwalter, so berichtet dessen Anwalt Daniel Rosandic-Bruns, dass er in Faßberg sein "Selbsthilferecht" wahrnehme. Er habe die Türschlösser ausgewechselt. Die rechtsextreme Kameradschaft brüstet sich auf ihrer Web-Seite, sie habe das Hotel übernommen und übe für Rieger das Hausrecht aus. Sie seien, so schreiben die Rechten, "gekommen, um zu bleiben".

Seit dem ersten Tag drängt der Insolvenzverwalter auf die Räumung des Hotels. Der Zwangsverwalter bezweifle die Gültigkeit des Vertrags, erklärt sein Anwalt Rosandic-Bruns. In keinem Fall habe Rieger das Recht gehabt, das Objekt per Selbstjustiz in Besitz zu nehmen. Ihn verwundert, dass die Angelegenheit nicht dringlich entschieden wird.

Noch sei die Lage ruhig, sagt Bürgermeister Schlitte. Jeden Tag gegen Mittag versammeln sich einige Faßberger Bürger, um gegen die Rechtsextremisten mit einer Mahnwache zu demonstrieren. Die Polizei bewacht das Gelände rund um die Uhr. Sie berichtet von kleineren Vorfällen mit Rechtsextremisten, auch mit linken Gegendemonstranten. Aus dem Ort heißt es, man habe Schüsse gehört. Das sind die Szenarien, vor denen sich Bürgermeister Schlitte und seine Gemeinde fürchten. Er blickt jetzt auf den Dienstag. Ursprünglich sollte das Landgericht Lüneburg Ende dieser Woche über den Eilantrag des Zwangsverwalters entscheiden. Doch inzwischen sei die Entscheidung, so Rosandic-Bruns, auf Dienstag kommender Woche verlegt worden. Ob es dann schnell zu einer Räumung kommt, ist indes unklar. Die Gemeinde will nun ihr Vorkaufsrecht durchsetzen, damit die Rechten nicht dauerhaft bleiben können.

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Quelle:
SZ vom 30.7.2009
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