Süddeutsche Zeitung

Lichtinghagen gibt Amt auf:Fallhöhe einer Heldin

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Von allen Strafverfolgern hat es Margrit Lichtinghagen zu größter Popularität gebracht. Nach atemberaubenden Vorwürfen gibt sie ihr Amt auf - es stellen sich grundsätzliche Fragen.

Hans Leyendecker

So, wie der Zeitgeist sich gewendet hat, gelten Wirtschaftsstaatsanwälte als stille Helden. Sie werden gefeiert, weil sie auch den Eliten nachsetzen, die ihre Millionen vergraben und das Gemeinwohl gemein ignoriert haben. Von allen Strafverfolgern hat es die nun aus der Bahn geworfene Bochumer Staatsanwältin Margrit Lichtinghagen zu größter Popularität gebracht. Hartnäckig setzt sie, so das von den Medien gezeichnete Bild, den Großbetrügern nach - sie kämpft, unterstützt von aufrechten Fahndern, allein gegen die reichen Gauner - als quasi öffentlich beauftragte Hüterin von Anstand und Moral.

Dieses Bild hat nie ganz gestimmt. Doch eine Gesellschaft braucht Heroen, und die Hauptpersonen müssen eine gewisse Fallhöhe haben. Wer angeblich rein und sauber war, kann später umso tiefer stürzen. Im Fall Lichtinghagen gibt es viele Wahrheiten. Das beginnt schon beim Bild von der Staatsanwältin, die es denen da oben zeigt. Aber in all den Liechtenstein-Verfahren, die Frau Lichtinghagen abgeschlossen hat, gab es Haftstrafen immer nur mit Bewährung - obwohl es jeweils um Steuerhinterziehung in Millionenhöhe ging.

Eine Staatsanwältin ist kein Robin Hood

Ein Staatsanwaltskollege erklärt ihr System als "Mischung aus Repression und Kooperation". Großen Hinterziehern würden große Strafen angedroht, wenn sie aber kooperativ seien, kämen vor allem hohe Geldstrafen heraus. So gehen Steuerbeamte gern vor (Frau Lichtinghagen war mal bei der Finanzverwaltung). Aber eine Staatsanwältin ist nicht der weibliche Robin Hood, der den Reichen das Geld abnehmen soll.

Die in einem Papier fürs nordrhein-westfälische Justizministerium festgehaltenen Beschwerden der Behördenleitung über die Kollegin sind atemraubend, aber auch seltsam. Wenn die Dame angeblich immer schon illoyal und hinterhältig war, dann hätte die Aufsicht schon viel früher einschreiten müssen. Wenn die Beschreibungen falsch sind, handelt es sich um Mobbing oder Neid.

Grundsätzliche Fragen drängen sich auf: Warum ist eigentlich die Bochumer Staatsanwaltschaft zentral zuständig für alle Verfahren, in denen es um Vaduz geht? Tatort und Wohnort bestimmen gemeinhin, welche Staatsanwaltschaft und welches Gericht zuständig ist. Im ersten Prozess stand ein Mann aus Bad Homburg vor dem Bochumer Landgericht, der in Liechtenstein schwarze Kassen untergebracht hatte. Weshalb hat seine Verteidigung nicht die Zuständigkeit der Bochumer bestritten? Vielleicht aus gutem Grund: Sein Mandant hatte eingeräumt, 7,5 Millionen Euro hinterzogen zu haben, was andernorts für eine saftige Haftstrafe gereicht hätte. In Bochum aber bekam er Bewährung plus Geldstrafe.

Es ist im Leben und auch als Strafverfolger nicht einfach, immer saubere Hände zu behalten. Im Fall der Staatsanwältin gibt es den Verdacht von Mauscheleien. Ein Korruptions-Ermittler aber muss suspekte Mittel ebenso meiden wie jeglichen bösen Anschein. Er muss Distanz wahren - auch zu sich selbst.

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SZ vom 17.12.2008/che
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