Süddeutsche Zeitung

Kulturgut:Klimts Dame ist weg

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In Österreich gibt es ein juristisches Gezerre um berühmte Gemälde.

Von Alexandra Föderl-Schmid

In Österreich wird Immunität gewährt - nein, nicht als Gnadenakt für jene, die sich eine Corona-Impfung ersparen wollen und sich auf diese Weise Unempfindlichkeit vor Krankheitserregern erhoffen. Damit ist auch nicht der Schutz vor Strafverfolgung gemeint, wie ihn Abgeordnete genießen. In diesem Land werden Kunstwerke für immun erklärt.

Solche "Immunitätszusagen" seien durchaus üblich, versichern Museumsdirektoren und das für Kultur zuständige Bundesministerium in Wien gleichermaßen. Dafür gibt es, wie in fortschrittlichen Bürokratien üblich, sogar ein eigenes Formular. "Die sachliche Immunität für Kunstwerke ist grundsätzlich ein Formalakt, der im internationalen Museumsgeschäft durchaus Usus ist", teilt das Ministerium in Wien auf Anfrage mit.

In Deutschland heißt das weitaus profaner "rechtsverbindliche Rückgabezusage". Leihgeber - seien es staatliche Institutionen oder Privatpersonen - bekommen vorab die Zusicherung, dass dieses Kunstwerk nicht konfisziert wird.

So geschehen im Falle von Gustav Klimts "Dame mit Fächer" - einem Bild, das durch diesen Akt der Immunitätsgewährung erstmals seit 101 Jahren wieder in Österreich ausgestellt werden konnte. Dieses berühmte Porträt war neben "Die Braut" zu sehen, jenem anderen Bild, das Klimt in seinem Wiener Atelier in Arbeit hatte, bevor er 1918 starb. So waren die beiden letzten Werke des berühmten Malers nach mehr als einem Jahrhundert wieder in einem Raum vereint, diesmal im Wiener Museum Belvedere.

Der Industrielle Erwin Böhler hatte es direkt aus dem Nachlass erworben, es landete später bei seiner Schwägerin in der Schweiz. 1967 kaufte es der Wiener Kunstsammler Rudolf Leopold, der es dann wegen Geldnot veräußerte. Wie jedes berühmte Klimt-Bild war es als wertvolles Kulturgut eingestuft, es wurde ohne die dafür nötige Genehmigung des Staates ins Ausland gebracht und bei einer Auktion in New York angeboten. 1992 erstattete das Bundesdenkmalamt wegen der illegalen Transaktion Anzeige gegen unbekannt, die Ermittlungen wurden eingestellt.

Trotz dieser Vorgeschichte erteilte das Ministerium dem Kunstwerk "temporäre Immunität" für ein Jahr für die am 25. März 2021 eröffnete Ausstellung. Da dieses Jahr nun vorbei ist, wurde das Werk zurückgebracht - wohin und an wen bleibt ein Geheimnis, das sich Belvedere-Chefin Stella Rollig nicht entlocken lässt. Denn sie musste nicht nur Immunität, sondern in diesem Fall auch Anonymität zusichern. Vermutet wird, dass der Schweizer Baron Hans Heinrich Thyssen-Bornemisza das Bild damals gekauft hatte.

Vor der Pandemie trafen jedes Jahr 15 bis 20 Anträge auf Immunität für etwa 200 Kunstwerke im Ministerium in Wien ein. "Dieser Routineakt ist bei fast jeder Gruppenausstellung üblich", sagt Belvedere-Chefin Rollig. Die österreichischen Museen selbst verlangen auch fixe Zusagen, dass Leihgaben nicht beschlagnahmt werden - etwa wegen Rechtsstreitigkeiten in Erbschaftsfällen oder ungeklärter Provenienz. Vor allem in den USA habe man schlechte Erfahrungen gemacht, berichten Museumsdirektoren, sodass ihr Grundsatz ist: Vertrauen ist gut, Immunität ist besser.

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