Süddeutsche Zeitung

Syrien-Krieg:Verzweifelt in Damaskus

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Von Stefan Braun, Berlin

Die Hoffnungen auf einen Frieden schwinden. Jeden Tag sterben in Syrien Dutzende Menschen. Allein bei den Luftangriffen auf ein Krankenhaus und umliegende Gebäude in Aleppo wurden nach Angaben von Ärzte ohne Grenzen am Mittwoch 50 Menschen getötet. Der Glaube, nach den vorsichtigen diplomatischen Annäherungen zwischen den USA und Russland könnte es tatsächlich Fortschritte für eine friedliche Lösung geben, schrumpft von Tag zu Tag. Dass UN-Sondervermittler Staffan de Mistura nun Alarm schlägt, kann kaum überraschen. Die Friedensverhandlungen in Genf stehen vor dem Scheitern.

Das ändert sich auch nicht dadurch, dass Syriens Armee jetzt eine neue Waffenruhe für Teile des Bürgerkriegslandes erklärt hat, die aber nicht etwa für das umkämpfte Aleppo gilt.

Doch die Welt der Diplomaten und Vermittler ist nur die eine Seite. Die andere ist die der Helfer, die sich um die Menschen im Kriegsgebiet kümmern. Sie bekommen es unmittelbar zu spüren, wenn es um die Friedensbemühungen schlecht bestellt ist.

Als im Februar für einige Tage tatsächlich so etwas wie eine Waffenruhe herrschte, durfte mehr Hilfe in die eingeschlossenen Gebiete. Wenn alles im Streit zu enden droht, bleiben hingegen plötzlich alle Hilfskonvois an der erstbesten Straßensperre hängen.

Als es vor zwei Monaten positive Anzeichen gab, konnten Kinder und Familien oft erstmals seit Jahren auf die Straßen. Jetzt, da wieder täglich geschossen und gemordet wird, bleiben auch dringend benötigte Lebensmittel und Arzneien liegen - oder werden von Milizen konfisziert.

Humanitäre Hilfe wird blockiert

Wie fatal das alles für die Bevölkerung ist, kann Jakob Kern erzählen. Der Schweizer leitet das Regionalbüro des UN-Welternährungsprogramms in Damaskus. Kern war diese Woche in Berlin. Die Bilder, die er von der Lage zeichnete, sprechen Bände über einen Krieg, der nicht endet. Er spricht von "frustrierenden Beschränkungen" bei der Hilfe. Der Schweizer wohnt in Damaskus in einem Hotel mit Blick auf den Stadtteil Daria. Dieser wird von Rebellen kontrolliert, und ausgerechnet jetzt, da in Genf letzte diplomatische Versuche gemacht werden, wird die Hilfe blockiert.

Millionen Menschen in Syrien sind bedroht

Was im Kleinen schrecklich ist, wird beim Blick auf das Ganze nicht besser. Derzeit sind laut Kern viereinhalb Millionen Menschen in Syrien besonders bedroht, durch Kämpfe und durch mangelnde Versorgung. Rund eine halbe Million Menschen sind eingekesselt.

Insgesamt gibt es derzeit offenbar 18 Orte und Regionen, in denen die Kriegsparteien Tausende Menschen bewusst einsperren.

Wie Kern nun berichtet, ist es seit Februar immerhin gelungen, einem Drittel dieser Menschen, also 150 000 Syrern, nötigste Hilfsgüter zukommen zu lassen. Das gilt vor allem für ländliche Regionen rund um Damaskus, Idlib und Homs.

Luftbrücke für Menschen im Gebiet des IS

Das klingt gleichwohl nach dem berühmten Tropfen auf den heißen Stein. Laut Vereinten Nationen ist die Zahl der Menschen, die Hilfe brauchen, auf syrienweit 13,5 Millionen Menschen gewachsen. Dazu zählen auch jene, die in Gebieten leben, die vom Islamischen Staat kontrolliert werden. Sie bleiben für das Welternährungsprogramm weitgehend unerreichbar.

Um ihnen trotzdem zu helfen, haben es die UN im April mit einer Luftbrücke versucht. Zwölf Mal haben sie für die Menschen in der ostsyrischen Stadt Deir Ezzor aus der Luft Essen und Arzneien abgeworfen. Wenn stimmt, was man hört, konnte damit rund 100 000 Menschen akut geholfen werden - mit Reis, Bohnen und Weizen.

Im vergangenen Jahr haben die UN in Syrien und um Syrien herum gut 530 Millionen US-Dollar an Hilfe ausgegeben, davon kamen etwa 130 Millionen aus Deutschland. Der Schweizer Kern erzählt, wie es ist, wenn man mit ein paar Lastwagen durchkommt. Nachts, wenn in den zerbombten Häusern kein Strom und kein Licht ist. Wenn sie durch zerstörte Straßen kurven und merken, dass da noch immer Tausende Menschen in den Trümmern ausharren.

Wenn deren Augen plötzlich leuchten, weil Essen und Arzneimittel da sind. Kern hat sie gefragt, was er den Menschen draußen sagen soll. Ihre Antwort sei überall in Syrien die Gleiche: "Wir wollen nicht weg, wir wollen unser Leben zurück, in Frieden."

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SZ vom 30.04.2016
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