Süddeutsche Zeitung

US-Kongresswahlen:Warum die Demokraten ein "Impeachment" scheuen

Lesezeit: 3 min

Von Christian Zaschke, New York

Für die amerikanischen Demokraten hätte die Woche nicht besser laufen können. Präsident Donald Trump ist in der Defensive, nachdem sein ehemaliger Wahlkampfchef wegen diverser Steuerdelikte vor Gericht schuldig gesprochen wurde und sein ehemaliger Anwalt sich unter Eid dazu bekannt hat, im Auftrag Trumps Schweigegeld an zwei Frauen gezahlt zu haben, die behaupten, Affären mit Trump gehabt zu haben. Wäre dies nicht der ideale Zeitpunkt, zu einer groß angelegten Attacke überzugehen, mit Betonung auf der moralischen Fragwürdigkeit des Präsidenten und seiner Mitarbeiter? Doch die Demokraten schweigen. Fast könnte man sagen: Sie schweigen genüsslich.

Vor allen Dingen bemühen sie sich nach Kräften, dieses eine Wort nicht auszusprechen: Impeachment. Sie haben nicht das geringste Interesse daran, eine Debatte über ein mögliches Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten zu führen. Ein solches könnten sie anstrengen, falls sie bei den Kongresswahlen im November die Mehrheit im Repräsentantenhaus zurückeroberten. Manche Wähler an der demokratischen Basis träumen von einem solchen Verfahren. Sie hoffen, dass der Spuk, der in Person von Trump über das Land gekommen ist, dann rasch beendet werden könnte. Die Führungsebene der Partei sieht das jedoch anders.

Zum einen ist es fraglich, ob ein Amtsenthebungsverfahren tatsächlich zum Erfolg führen könnte. Zwar gelten die Zahlungen, die Trumps Anwalt an die beiden Frauen leistete, eine Pornodarstellerin und ein ehemaliges Playboy-Model, als illegale Wahlkampfspenden; doch ob Trump darüber zu Fall kommen könnte, ist unter Impeachment-Spezialisten umstritten. Der Tenor ist: Eher nicht. Sonderermittler Robert Mueller müsste wohl noch weiteres, brisanteres Material zutage fördern, bevor ein Amtsenthebungsverfahren Aussicht auf Erfolg hätte.

Vor allen Dingen aber sind die demokratischen Strategen zu der Ansicht gelangt, dass das Thema, erstens, die Mehrheit der eigenen Wähler nicht wirklich interessiert, und dass es, zweitens, lediglich den Republikanern in die Hände spielte, wenn sie jetzt über Impeachment sprächen. Sie haben die Sorge, dass Trumps Basis bei den Wahlen im November in Massen mobilisiert wird, wenn sie fürchtet, ihr Präsident solle aus dem Amt entfernt werden.

Demokraten wollen auf Wirtschaftsthemen setzen

Trumps Anwalt Rudy Giuliani sagt deshalb: "In dieser Wahl geht es allein darum, ob es ein Impeachment geben wird oder nicht." Der republikanische Senator John Cornyn äußerte sich ähnlich. Mit Blick auf die Demokraten sagte er: "Sie sind nie glücklich mit dem Ergebnis der Präsidentschaftswahl gewesen, und ich erwarte, dass sie weiterhin versuchen werden, das Ergebnis dieser Wahl mit allen Mitteln rückgängig zu machen."

Nancy Pelosi, Chefin der Demokraten im Repräsentantenhaus und erbitterte Gegenspielerin Trumps, schrieb an ihre Parteifreunde, dass diese sich in ihren Kampagnen auf wirtschaftliche Themen konzentrieren sollten. "Der November rückt rasch näher", schrieb sie, "und wir müssen uns darauf konzentrieren, dass unsere wirtschaftliche Botschaft bei den hart arbeitenden Familien in Amerika ankommt." Mit anderen Worten: Sprecht um Himmels willen nicht über Trump und das I-Wort.

Besonders demokratische Kandidaten, die hoffen, eher republikanische Wahlkreise erobern zu können, haben die Erfahrung gemacht, dass sie mit Tiraden gegen Trump nicht weiterkommen. Ann Kirkpatrick, die gute Aussichten hat, den republikanischen Sitz in Tucson, Arizona, zu gewinnen, sagt, dass die Wähler sich vor allen Dingen über ihre Krankenversicherung sorgen, über soziale Absicherung, über die hohen Ausbildungskosten, über die mögliche Einschränkung der Abtreibungsrechte. Also über Themen, die das tägliche Leben direkt betreffen. "Ich bin von Tür zu Tür gegangen", sagt Kirkpatrick, "und die Leute sind besorgt."

Dass die Demokraten sich nicht mehr auf Trumps Verfehlungen konzentrieren wollen, bedeutet einen Strategiewechsel. Im Wahlkampf 2016 hatte Hillary Clinton vor allen Dingen Trumps Charakter infrage gestellt, statt den Amerikanern zu erklären, warum sie Präsidentin werden sollte. Daraus haben die Demokraten gelernt; sie wollen sich diesmal darauf konzentrieren, ihr Programm zu vermitteln, also keinen Wahlkampf gegen Trump betreiben, sondern einen für die eigenen Ziele und Werte.

Sie sind überdies zu der Ansicht gelangt, dass sie von Trumps juristischen und moralischen Problemen profitieren werden, ohne diese eigens zu betonen. "Ich finde, wir müssen da gar nicht drüber reden", sagt die Demokratin Susan Wild, die sich gute Hoffnungen darauf machen kann, einen republikanischen Sitz in Pennsylvania zu erobern, "denn das tun die Wähler ohnehin."

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SZ vom 25.08.2018
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