Süddeutsche Zeitung

Kongo:Der wahre Gewinner heißt Martin Fayulu

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Unterlagen belegen: Die Wahlbehörde im Kongo hat offenbar das Ergebnis der Präsidentschaftswahl vom 30. Dezember verfälscht.

Von Bernd Dörries, Kinshasa

Die Wahlbehörde der Demokratischen Republik Kongo hat bei der Auszählung der Präsidentschaftswahl vom 30. Dezember mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit in großem Umfang Stimmen gefälscht. Das geht aus Unterlagen hervor, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen. Demnach ist der Oppositionskandidat Martin Fayulu der eigentliche Gewinner der Wahl, er erhielt 59,42 Prozent der Stimmen - auf dieses Resultat kommt eine Stimmauswertung der Wahl, bei der es sich nach Angaben eines Mitarbeiters der Wahlbehörde CENI um das offizielle Endergebnis handelt. Das so allerdings nie veröffentlicht wurde.

Die Wahlkommission hatte am Donnerstag Félix Tshisekedi zum Wahlsieger ernannt, mit einem Ergebnis von 7 053 013 Stimmen oder 38,57 Prozent. Im Kongo reicht die einfache Mehrheit, um Präsident zu werden. Tshisekedi sollte am 22. Januar vereidigt werden. Nach dem nicht veröffentlichten Endergebnis, das etwa 86 Prozent der abgegebenen Stimmen berücksichtigt, kommt Tshisekedi aber nur auf 18,97 Prozent oder 2,97 Millionen Stimmen, eine Differenz von vier Millionen. "Die Wahl wurde dem Volk gestohlen", sagte Martin Fayulu der SZ. Er kommt in den auch der Financial Times und Radio France International vorliegenden Zahlen auf 20 Prozentpunkte mehr als von der Wahlkommission bisher behauptet. Fayulu reichte am Samstag Klage beim Verfassungsgericht ein und forderte eine Neuauszählung. Eine Forderung, der sich im UN-Sicherheitsrat auch die USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland anschlossen. Der von der Wahlbehörde vergangene Woche ausgerufene angebliche Wahlgewinner Félix Tshisekedi dagegen will eine neue Zählung nicht akzeptieren.

Im Kongo hätte eigentlich bereits 2016 gewählt werden müssen. Präsident Joseph Kabila konnte laut Verfassung nicht für eine dritte Amtszeit antreten und blieb einfach zwei weitere Jahre im Amt. Für die Wahl Ende vergangenen Jahres schickte er schließlich seinen Vertrauten Emmanuel Ramazani Shadary als eine Art Statthalter ins Rennen, der aber so schlecht abschnitt, dass sich Kabila und seine Entourage offenbar entschlossen, Félix Tshisekedi zum Sieger auszurufen. In den vergangenen Tagen hatten sich Vertreter des Präsidenten und Tshisekedis wiederholt getroffen.

Die Behörde bestreitet jede Manipulation, weigert sich aber, die Daten zu veröffentlichen

Der vermeintlich Unterlegene Fayulu wirft den beiden vor, einen Deal zum Nachteil der Bevölkerung gemacht zu haben: Tshisekedi dürfe Präsident werden, wenn er die Reichtümer Kabilas nicht antaste und von einer juristischen Verfolgung seiner korrupten Regierungszeit absehe. Ob dieser Plan aufgeht, erscheint aber immer fraglicher. Die der SZ vorliegenden Ergebnisse decken sich mit Ergebnissen der Katholischen Bischofskonferenz im Kongo, die 40 000 Wahlbeobachter im Einsatz hatte und auch Fayulu als Sieger sieht. Bei der Wahl am 30. Dezember waren etwa 70 000 Wahlmaschinen eines koreanischen Herstellers zum Einsatz gekommen. Die Maschinen waren so codiert, dass ihre Ergebnisse per Handy- oder Satellitenverbindung an einen zentralen Server der Wahlbehörde in der Hauptstadt Kinshasa geleitet wurden. Dort hätten in den vergangenen Tagen verschiedene von der Regierung bezahlte Spezialisten versucht, die Ergebnisse auf dem Server zu manipulieren, sagte ein hochrangiger Politiker der SZ: "Das ist aber gescheitert, die echten Daten liegen noch dort." Die Wahlbehörde bestreitet jede Manipulation, weigert sich aber, die Datensätze mit den detaillierten Ergebnissen auf Wahlkreisebene zu veröffentlichen.

Er könne die Daten nur dem Obersten Gerichtshof offenbaren, sagte der Leiter der Wahlbehörde. Die Richter wollen bis Ende der Woche entscheiden, ob sie das Ergebnis akzeptieren. Die Opposition rechnet nicht mit einem fairen Urteil, da Kabila alle Richterposten mit Vertrauten besetzt habe. Auch der Präsident der Wahlkommission, Corneille Nangaa, soll zu den Günstlingen Kabilas gehören, er gab vor wenigen Tagen zu, nach der Wahl ins Rohstoffgeschäft einsteigen zu wollen, er habe mehrere Schürfrechte gekauft. Die Opposition sieht darin eine Belohnung für die gefälschten Wahlen. Ob die Fälschung tatsächlich erfolgreich war, werden die kommenden Wochen zeigen. "Die internationale Gemeinschaft muss den Druck erhöhen, wenn sie wirklich will, das sich im Kongo etwas ändert", sagte Oppositionskandidat Fayulu.

Nach Angaben von Oppositionspolitikern versucht die Regierung in diesen Tagen weiter, Belege für das von ihr favorisierte Ergebnis zu fälschen. Mitarbeiter der Wahlbehörde in verschiedenen Landesteilen hätten aus der Zentrale Blankodokumente zur Stimmauszählung erhalten, die sie unterschreiben sollten, ohne Resultate einzutragen. "Die werden dann in Kinshasa passend gemacht", sagte ein kongolesischer Politiker.

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Quelle:
SZ vom 16.01.2019
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