Süddeutsche Zeitung

Kolumne:Die Tweets des Botschafters

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Ralf Beste ist oberster Vertreter der 200.000 Deutschen in Österreich - und muss sich, das sieht man auf Twitter, erst an die Eigenheiten seines neuen Einsatzlandes gewöhnen.

Von Martin Zips

Letztens habe ich im Café Sperlhof mal wieder den Leopoldstädter getroffen und da hat er mit mir über den deutschen Botschafter in Österreich reden wollen, aber den kannte ich nicht. "Waaas? Den kennst du nicht?", hat mich der Leopoldstädter da gefragt. "Wieso kennst du denn nie jemanden, Deutscher?"

Gut, da hat jetzt der Leopoldstädter wahrscheinlich auf die Marianne Mendt anspielen wollen, weil die kannte ich letztens auch nicht, obwohl sie der Leopoldstädter für musikalisch sehr bedeutsam hält.

Jedenfalls hat er mir dann mit seinem Smartphone vor der Nase rumgefuchtelt, weshalb ihm beinah das Bier auf die Eiernockerl gefallen wäre, so aufgeregt war er. Die Eiernockerln hat er sich immer einzeln unter seinen Mundschutz geschoben, der Leopoldstädter. "Ralf! Beste!", hat er gerufen. "Der deutsche Botschafter in Österreich heißt: Ralf! Beste! Den musst du doch kennen!" Seit Herbst 2019 ist der nun schon in Wien, der oberste Vertreter der 200.000 Deutschen in Österreich.

Also dazu muss man jetzt wissen, dass der Leopoldstädter erst vor wenigen Wochen Twitter für sich entdeckt hat. Seither ist er total aus dem Häuschen, wer da so alles unterwegs ist, mit oder ohne Mundschutz.

Auf seinem völlig verschmierten Handy hat mir der Leopoldstädter dann den Account vom deutschen Botschafter gezeigt. Ja gut, was soll man sagen? Herr Beste besucht die Kapuzinergruft. Herr Beste im Burgenland. Herr Beste geht in den Wiener Zoo. "Na, scheint doch ein recht sympathischer Mann zu sein", habe ich gesagt. "Ja checkst du's denn nicht?", hat der Leopoldstädter sich da mokiert. "Der ist so wie du, Oida. Der kapiert nichts. Erst recht nicht uns."

Und dann hat mir der Leopoldstädter so Tweets gezeigt, in denen sich Herr Beste über das Wort "Tschusch" in einem österreichischen Zeitungsartikel wundert. Auch den Terminus "Scheibtruhe" (Schubkarren) schien er nicht zu kennen. Ebenso den Ausdruck "Wortspende", um die man ihn irgendwo gebeten hat. "Alter! Der Typ ist Botschafter in Wien und weiß nicht, was eine Wortspende ist?" Am meisten aber hat es den Leopoldstädter auf die Palme gebracht, dass Herr Beste es jüngst amüsant fand, dass sich Österreicher gerne mit Titel anreden und gleichzeitig duzen. "Noch nie was vom ,Wiener Du' gehört?", hat er in seinen von Eiernockerln schon völlig verklebten Mundschutz gerufen. "Oder dieser Tweet hier: ,Weichsel hielt ich bis jetzt für einen Fluss in Polen. Schmeckt aber gut...'"

Ja gut, Weichsel, das ist natürlich Sauerkirsche.

Jedenfalls habe ich den Leopoldstädter dann gebeten, vielleicht doch besser wieder seinen Twitteraccount zu löschen. Weil er sonst dort noch alles Mögliche lesen könnte und dann könnte es vielleicht schlecht ausgehen, mit seinem Herzen. Da hat mich der Leopoldstädter ganz groß angeschaut und gesagt: "Du, Herr Redakteur, eigentlich hast du recht." Das fand ich nett. Dann hat mich der Leopoldstädter umarmt, das Handy mit seinem Mundschutz umwickelt und in seinen Rollkoffer gepackt.

Und dann sind wir noch ein Bier trinken gegangen.

Dieser Text ist zuerst am 6. März 2020 im Österreich-Newsletter erschienen.

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Quelle:
SZ vom 07.03.2020
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