Süddeutsche Zeitung

Klimapolitik:Trump und die Konzerne

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Heike Buchter beschreibt die Bemühungen der Öl- und Kohleindustrie, das unabdingbare Ende der fossilen Brennstoffe hinauszuzögern.

Von Felix Ekardt

Klimaschutz heißt: null fossile Brennstoffe bei Strom, Wärme und Mobilität, aber auch im Ernährungs-, Kunststoff- oder Zementsektor. Und das in etwa zwei Jahrzehnten, denn das Pariser Klima-Abkommen schreibt den Staaten dieser Welt die Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze bei der globalen Erwärmung verbindlich vor. Gleichzeitig wird beispielsweise in den USA verstärkt nach neuen fossilen Brennstoffquellen gesucht. Das Buch der Journalistin Heike Buchter porträtiert den neuen Run auf Öl, Gas und Kohle und dessen seltsame Widersprüche zu den offiziell meist trotzdem verfolgten Klimazielen.

Das Buch gliedert sich in elf Kapitel. Buchter betrachtet einzelne Fragenkreise der fossilen Welt und ihrer Akteure. Die Geschichte der fossilen Brennstoffe und des Öl- und Gasmarktes kommt ebenso ausgiebig zur Sprache wie aktuelle Entwicklungen in Russland, Iran, den USA oder China. Den roten Faden bilden die Bemühungen von Donald Trump und ihm nahestehenden Unternehmern, die heimische fossile Industrie massiv zu stärken. Die einzelnen Kapitel sind dabei keine systematischen Abhandlungen, sondern greifen stärker in einem reportagehaften Stil einzelne Aspekte heraus. Buchter bringt dabei Hintergründe, die in Deutschland nur am Rande wahrgenommen werden, kenntnisreich auf den Punkt. Die Spannungen zwischen den USA einerseits sowie Russland und Iran andererseits erscheinen dadurch zum Beispiel in einem neuen Licht.

Dass auch Deutschland meilenweit von Nullemissionen pro Kopf entfernt ist und sich etwa mit dem Kohleausstieg viel Zeit lässt, kommt bei Buchter prägnant zur Sprache. Eine echte Gesamtbilanz der Energiewende - in Deutschland oder international - liefert sie allerdings nicht. Die Radikalität der 1,5-Grad-Grenze kommt auch nicht wirklich in den Blick. Einiges verdient zudem, im Detail hinterfragt zu werden. Wenn Vogelverluste durch Windräder erwähnt werden, wäre es sinnvoll, die weit größeren Verluste an Straßen und Flughäfen ebenfalls zu erwähnen. Und dass Gas klimafreundlicher ist als Öl oder Kohle, kann so nur gesagt werden, wenn Probleme wie Leckage in Gewinnung und Transport außen vor bleiben. Unberücksichtigt lässt Buchter auch, dass null fossile Brennstoffe bei Kunststoffen und im Agrarsektor die weit größere Herausforderung sind als bei Strom oder Wärme.

Beliebt, aber schwierig ist die durch den Buchtitel und den US-Fokus genährte Vorstellung: Irgendwie sind doch Donald Trump und die USA das Hauptproblem beim Klima, zusammen mit China. Letztlich kommt es beim Klimawandel nicht auf schöne Rhetorik an, sondern auf Emissionen pro Kopf. Und da gehört Deutschland wie die USA zu den weltweiten Negativbeispielen. Ferner produziert China in hohem Maße für den westlichen Markt.

Durchaus informativ sind Buchters Details über Politiker und Konzernführer der Ölindustrie, die auf oft verschlungenen Wegen unter einer Decke stecken. Unerwähnt bleibt allerdings, dass Politik und Unternehmen von den Bürgern durch Wahl- und Kaufentscheidungen gewählt und im Amt gehalten werden. Die Debatte, ob der Klimaschutz an den Verbrauchern, an bösen Konzernen oder am fehlenden Willen der Politiker scheitert, bleibt deshalb ein Henne-Ei-Problem. Es müssen vielmehr alle in die Betrachtung einbezogen werden, die wir uns trotz viel Wissen und oft großer Klima-Moral dann doch gerne mal in den Flieger oder ins Auto zur Arbeit setzen und auf das tägliche Stück Fleisch nur ungern verzichten. Eigennutzenkalküle, Gewohnheit, Bequemlichkeit, Gruppendenken und die Neigung, lieber andere als sich selbst kritisch unter die Lupe zu nehmen, haben daran ihren Anteil.

Auch Buchters sehr anschaulich porträtierte Erkenntnis, dass Großinvestoren wie Rentenfonds immer noch nicht den Umschwung zu grünen Investments schaffen, erscheint damit in einem neuen Licht. Würden die Bürger weltweit massenhaft für eine massive Verteuerung der fossilen Brennstoffe eintreten, würde niemand mehr in Ölquellen oder Gasfelder investieren. Die in Deutschland aktuell hochkochende Debatte über einen nationalen CO₂-Preis löst das Problem allerdings nicht. Rein nationale Anläufe für null fossile Brennstoffe und sehr viel weniger Tierhaltung können allenfalls ein Einstieg sein. Um die Probleme nicht nur von Land zu Land zu verschieben, sollte Deutschland vielmehr starken Druck auf EU-Ebene für einen fossilen Ausstieg ausüben, statt dort wie zuletzt den Bremser zu spielen.

Der Verweis auf Trump, seine Freunde in der Industrie und die Schwellenländer wird der Welt diesen schmerzhaften Prozess kaum ersparen können. Trotz alledem liefert Buchter gute Denkanstöße und spannenden, erkenntnisreichen Lesestoff, gerade wegen der vielen erhellenden Einzelheiten zur Geschichte und Gegenwart der Öl-, Gas- und Kohleindustrie.

Felix Ekardt leitet die Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik in Leipzig und Berlin und lehrt an der Uni Rostock.

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SZ vom 23.09.2019
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