Süddeutsche Zeitung

Katalonien:Für Artur Mas sind 48 Prozent zu wenig

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Kataloniens Regionalpräsident hoffte auf ein klares Votum für die Abspaltung von Spanien - und verlor. Um seine politische Zukunft steht es nun ähnlich schlecht wie um die Unabhängigkeit Kataloniens.

Von Thomas Urban, Barcelona

Es war ein sehr gezwungenes Lächeln, das Artur Mas am Tag nach dem Urnengang aufsetzte - und das obwohl die katalanische Unabhängigkeitsbewegung bei den Regionalwahlen in der Nordostecke Spaniens gewonnen hatte. Doch der Sieg war kein glänzender. Die Befürworter der Loslösung von Madrid - zu denen auch Regionalpräsident Mas gehört - verfügen zwar über eine knappe Mehrheit der Sitze im Parlament zu Barcelona, doch haben sie nicht einmal die Hälfte der Wähler hinter sich gebracht, nämlich knapp 48 Prozent.

Das dürfte zu wenig sein, um den auf 18 Monate angelegten "Fahrplan zur Unabhängigkeit" umzusetzen. Vor allem sind die Hoffnungen des 59-jährigen Mas zerstört, dass eine klare Mehrheit auch den Widerstand in der EU gegen eine neue Republik Katalonien schmelzen lassen könnte. Er hatte dieses Argument gegen die Warnungen der konservativen Regierung in Madrid unter Mariano Rajoy angeführt, dass eine einseitige Unabhängigkeitserklärung Kataloniens Ausschluss aus der EU bedeuten könnte.

Die Katalanen fühlen sich durch das jetzige System benachteiligt

Vieles spricht dafür, dass Rajoy durch seine politische Sturheit den Catalanistas erst den nötigen Auftrieb gegeben hat, der sie von der Unabhängigkeit hat träumen lassen. Denn er hat jegliche Gespräche über eine Erweiterung der Autonomie, darunter eine Änderung des Finanzausgleichs zwischen den Regionen, brüsk abgelehnt. Die Katalanen fühlen sich durch das jetzige System benachteiligt. Hinzu kamen die Versuche Madrids, in das katalanische Schulsystem einzugreifen.

Ursprünglich hatte Mas gar nicht zu den Verfechtern der staatlichen Souveränität gehört, sein Ziel war eine Föderation, in der Madrid weitere Kompetenzen an die EU abtritt. Doch haben er und seine Anhänger vergeblich bei den europäischen Nachbarn gegen den Ruf angekämpft, kleinkarierte Nationalisten zu sein. Der Vorwurf ist ungerechtfertigt: Mas ist ein kosmopolitisch geprägter Verfechter der europäischen Einheit, er war es seit den Jugendjahren, als er während der Franco-Zeit das Französische Gymnasium in Barcelona besuchte. Auch spricht er sehr gut Englisch. Gesellschaftspolitisch steht er für liberale Positionen, er lehnt ein Abtreibungsverbot ab und verteidigt die Homo-Ehe.

Mas hat zu hoch gepokert

Allerdings setzte Mas seit seiner Wahl zum Regionalpräsidenten 2010 einen strikten Sparkurs zur Sanierung der öffentlichen Finanzen durch. Dies lehnen aber die links orientierten Gruppierungen ab, die sich mit ihm gemeinsam im Lager der Verfechter der Unabhängigkeit Kataloniens befinden. Von ihnen hat er wenig Unterstützung zu erwarten, sollte er sich nun dem neuen Parlament in Barcelona zur Wiederwahl als Regionalpräsident stellen.

Mas hat also offenkundig zu hoch gepokert, als er sein politisches Schicksal mit dem Ausgang der Regionalwahlen verband. Trösten mag ihn nun allein, dass auch sein Gegenspieler Mariano Rajoy den Umfragen zufolge kaum Chancen hat, als Premier zu überleben.

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Quelle:
SZ vom 29.09.2015
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