Süddeutsche Zeitung

Juso-Chefin:"Geschlossenheit nur, wenn Inhalte stimmen"

Lesezeit: 2 min

Juso-Chefin Franziska Drohsel warnt SPD-Kanzlerkandidat Steinmeier, die Aufstellung des Wahlprogramms alleine zu entscheiden. Dafür sei die Partei zuständig.

Thorsten Denkler, Berlin

sueddeutsche.de: Frau Drohsel, als Juso-Chefin haben Sie Ihren Leuten einen neuen Linkskurs verpasst. Jetzt schwenkt die Mutterpartei personell nach rechts. Wie fühlt sich das an?

Franziska Drohsel: Das Entscheidende ist erst mal, dass es eine Umstellung an der Spitze gibt. Das heißt noch lange nicht, dass damit auch eine Kursänderung verbunden ist. Wir setzen uns dafür ein, dass wir auf dem in Hamburg eingeschlagenen Weg bleiben. Wir müssen weiter über die Agenda 2010 diskutieren und die Politik der SPD wieder auf soziale Gerechtigkeit einstellen. Dieser Kurs darf nicht aufgegeben werden.

sueddeutsche.de: Geht das mit Steinmeier und Müntefering besser als mit Beck?

Drohsel: Die Situation ist jetzt, wie sie ist. Damit muss man umgehen.

sueddeutsche.de: Klingt nicht so richtig nach überschwänglicher Freude.

Drohsel: Dass Kurt Beck zurückgetreten ist und es in dem Zusammenhang ein großes Maß an Illoyalitäten gegeben hat, stimmt erst mal nicht besonders froh. Das Bedauern über seinen Rücktritt ist auf jeden Fall groß.

sueddeutsche.de: Ist denn die Bereitschaft zur Geschlossenheit jetzt so groß, dass die Parteilinken vergessen werden, welche Forderungen sie eigentlich in der Tasche haben?

Drohsel: Die Bereitschaft zur Geschlossenheit ist da. Aber Geschlossenheit kann es nur dann geben, wenn die Inhalte stimmen. Dafür ist jetzt die Debatte um das Wahlprogramm entscheidend.

sueddeutsche.de: War nicht abgemacht, dass Steinmeier als Kanzlerkandidat weitestgehende Freiheiten hat, was die Ausarbeitung eines Wahlprogramms angeht?

Drohsel: Der Kanzlerkandidat hat eine herausgehobene Stellung. Aber wir sind immer noch eine demokratische Partei. Die Schröder-Zeit, in der die Politik immer von oben nach unten ging und mittels eines Basta durchgesetzt wurde, hat in der Partei erhebliche Wunden geschlagen. Ich glaube nicht, dass es für die Partei gut wäre, daran anzuknüpfen.

sueddeutsche.de: Muss Steinmeier sich den Rückhalt der Partei noch erkämpfen für die Themen, die er setzten möchte?

Drohsel: Für die Aufstellung des Wahlprogramms muss man in einem partizipativen Prozess mit der gesamten Partei reden.

sueddeutsche.de: Sie wollen neben Andrea Nahles eine weitere linke Persönlichkeit als Vize haben. Warum? Beck war doch auch kein Linker.

Drohsel: Wenn man einen Neuanfang machen möchte, wenn man die Partei zur Geschlossenheit aufruft, dann muss sich das auch in der engeren Parteiführung niederschlagen. Bei der aktuellen Zusammensetzung kann man schon Zweifel haben, ob das repräsentativ ist. In der Parteiführung muss sich die gesamte Partei wiederfinden können.

sueddeutsche.de: Ist die Parteiführung, wie sie sich seit Sonntag darstellt, etwa nicht in der Lage, der Linkspartei Paroli zu bieten?

Drohsel: In der Auseinandersetzung mit der Linkspartei ist entscheidend, wie wir inhaltlich aufgestellt sind. Wenn es uns gelingt, die richtigen Lösungen für die gesellschaftlichen Probleme anzubieten, dann sind wir auch gerüstet für den Umgang mit der Linkspartei. Ich bin zuversichtlich, dass wir das schaffen.

sueddeutsche.de: Müntefering und Steinmeier gelten als Architekten und größte Verteidiger der Agenda-Reformen. In der Partei aber reicht das Spektrum von "Hartz weg" bis "Finger weg". Wie wichtig ist diese Frage für den Zusammenhalt der SPD?

Drohsel: Die Frage nach Hartz IV und Arbeitslosengeld II ist eine zentrale. Die Schere zwischen Arm und Reich ist trotz einer bald 10-jährigen Regierungsbeteiligung der SPD auseinandergegangen. Dies sollte jeden Sozialdemokraten nachdenklich machen. Die SPD muss sich selbstkritisch fragen, welche Folgen ihre Politik in der Gesellschaft gehabt hat. Dass Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe zusammengelegt wurden, war sinnvoll. Aber es gibt Veränderungsbedarf. Bei der Höhe des Regelsatzes oder auch bei den Sanktionen. Die sollten ersatzlos gestrichen werden.

sueddeutsche.de: Steinmeier würde lieber von einer Weiterentwicklung der Agenda 2010 sprechen.

Drohsel: So wie ich die Stimmung an der Parteibasis mitbekomme, nimmt die Partei große Teile der Agenda 2010 als eklatantes Problem wahr. Wenn es ein Zurück zur Agendapolitik und keinen Fokus auf soziale Gerechtigkeit geben sollte, dann ist es sehr schwierig, die ganze Partei mitzunehmen. Darauf aber ist das Führungsteam angewiesen.

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