Süddeutsche Zeitung

IS-Prozesse:Jennifer W. will ihre Verteidiger loswerden

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Aus dem Gericht von Annette Ramelsberger, München

Zwei ähnliche Prozesse: einer in Düsseldorf, einer in München. Zwei ähnliche Vorwürfe: Mitgliedschaft bei der Terrorgruppe IS und Versklavung von Jesiden. Zwei Frauen, die von den gleichen Verteidigern vertreten werden. Und die Erkenntnis dieser Anwälte, dass in beiden Verfahren Kronzeuginnen aufgetreten sind, die bei ihren Aussagen eine plötzliche Kehrtwende vollzogen haben.

Daraus entsteht ein rechtliches Problem: Dürfen die Anwälte Erkenntnisse aus dem nicht-öffentlichen Prozess in Düsseldorf in den anderen einführen? Das Berichten aus nicht-öffentlicher Verhandlung ist strafbar und die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die Verteidiger.

An dieser Frage hat sich das weithin beachtete Verfahren gegen eine Islamistin in München verhakt, der Mord durch Unterlassen vorgeworfen wird. Sie soll zugelassen haben, dass ihr Mann, ein IS-Kämpfer, ein Kind in der Sonne ankettete und verdursten ließ. Nun hat die Angeklagte Jennifer W. beantragt, ihre beiden Verteidiger zu entpflichten. Zuvor hatten auch die beiden Anwälte das vom Gericht erbeten - das aber hatte am Freitag abgelehnt.

Jennifer W. ließ nun erklären, die Staatsanwaltschaft habe den Handlungsspielraum ihrer Verteidiger zu ihren Lasten massiv eingeschränkt. "Ich muss befürchten, dass sie sich als eingeschränkt und eingeschüchtert sehen" - und dass sie deshalb nicht mehr so gut wie möglich verteidigt werde. Ihre Anwälte argumentieren, wenn sie Jennifer W. ordnungsgemäß verteidigen wollten, müssten sie weiter aus dem Düsseldorfer Prozess berichten und sich weiter strafbar machen. Eine Zwickmühle.

Das Problem ergab sich, weil sowohl die frühere Sklavin im IS-Prozess von München als auch eine frühere Sklavin im Düsseldorfer Prozess im Irak noch relativ freundlich über die deutschen IS-Frauen gesprochen hatten. Die Männer waren die Bösen. In Deutschland beschuldigten sie dann plötzlich die Frauen, ihre Männer angestiftet zu haben. Ein auffälliges Muster, wie Anwalt Ali Aydin findet. Möglicherweise fühlten sich die Zeuginnen aus Syrien der Bundesanwaltschaft verbunden und möchten ihr keine Probleme machen - so hatte es die Mutter des getöteten Kindes in München selbst gesagt. Am 6. Februar entscheidet der Senat.

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SZ vom 01.02.2020
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