Süddeutsche Zeitung

Italien:Marco Minniti, Sheriff der Linken

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Der italienische Innenminister mit sehr linker Vergangenheit erhält derzeit besonders viel Applaus von den politischen Gegnern.

Von Oliver Meiler

Für einen, der immer im Schatten stand, wird Marco Minniti plötzlich sehr viel Licht zuteil. Der 60-jährige Süditaliener aus Reggio Calabria, ein drahtiger Mann mit markant glänzender Glatze, ist erst seit vier Monaten Innenminister, doch ist er bereits allgegenwärtig. Zum ersten Mal seit langer Zeit hat das Land wieder eine klare Migrationspolitik, einen Mix aus Integration und Repression. In kurzer Zeit formulierte Minniti Dekrete für neue Auffangzentren und handelte eine Absprache mit Libyen aus, wo die meisten Flüchtlinge für die Überquerung des Mittelmeers ablegen. Schon ist Minniti das beliebteste Mitglied des linken Kabinetts.

Besonders viel Applaus erhält er ausgerechnet von den politischen Gegnern. Die rechtsbürgerliche Zeitung Il Giornale aus dem Medienkonzern Silvio Berlusconis nennt ihn anerkennend "Innenminister aus Stahl". Das ebenfalls rechte Blatt Libero fragte seine Leser online, ob sie "diesen Sheriff der Linken" zum Premierminister wählen würden, wenn er denn für die Rechte kandidierte? 70 Prozent klickten "Sì".

Links oder rechts? Die etwas aus der Zeit gefallene Frage verfolgt Marco Minniti schon lange. Als er Teenager war, wollte er Pilot von Kampfjets werden. Das hätte gut in die Familie gepasst, sein strenger Vater war General der italienischen Luftwaffe. Doch die Mutter wollte den Sohn schonen, so schrieb er sich in Philosophie ein, ausgerechnet jenem Fach, das der Vater für das nutzloseste hielt. Und er trat der Kommunistischen Partei Italiens bei, eher aus Rebellion gegen den Vater denn aus Überzeugung, wie er kürzlich in einem Interview erzählte.

Minniti galt selber als geheimnisvoll

Minniti durchlief eine klassische Parteikarriere, vom jungen Provinzverantwortlichen bis hinauf an die Spitze des Apparats. Seit 16 Jahren gehört er dem Parlament an. Parallel dazu war er seit 2000 an allen Regierungen der Linken beteiligt, wenn auch lange Zeit nicht als Minister. Zunächst war er Staatssekretär im Verteidigungsministerium und zuletzt Untersekretär im Amt des Premierministers, zuständig für die Geheimdienste. Diese letzte Aufgabe schien ihm auf den Leib geschnitten zu sein. Minniti galt selber als geheimnisvoll. Er scheute die Medien und schottete sein Privatleben ab. Im politischen Betrieb war seine leise Art beliebt, er vertrug sich mit allen, gab oft den Mittler.

Als er im vergangenen Dezember endlich Innenminister wurde, hieß es, niemand sei je besser dafür vorbereitet gewesen als Minniti. Alle seine Pläne lagen wohl schon lange in der Schublade. "Sicherheit", sagt er und provoziert damit die extreme Linke, "ist ein linker Begriff." Und: "Sicherheit ist Freiheit." Damit rechtfertigt er "Law and Order". Kaum war er als Minister vereidigt, als in Sesto San Giovanni bei Mailand Anis Amri, der damals flüchtige Attentäter von Berlin, in eine Polizeikontrolle geriet und bei einem Schusswechsel getötet wurde. Das war mehr Zufall als Fahndungserfolg - doch es machte den Minister über Nacht allseits bekannt.

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Quelle:
SZ vom 03.04.2017
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