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Italien:Bibliotheken gegen Barbarei

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Italiens Ministerpräsident Renzi will die Terrorgefahr auf eine besondere Art eindämmen: mit Investitionen in die Kultur. Die Opposition in Rom wirft dem Premier nun Naivität vor.

Von Oliver Meiler, Rom

Das Dekor einer Rede ist selten dem Zufall geschuldet. Matteo Renzi wählte die Kapitolinischen Museen in Rom, ein Hochamt der nationalen Künste, um den Italienern kundzutun, wie er auf die Terroranschläge von Paris und die Gefahr im eigenen Land reagieren wolle. Und die Pläne, eine Mischung aus Sicherheitsmaßnahmen und Kulturförderung für zwei Milliarden Euro, hören sich originell an. "Sie säen Terror", sagte Renzi über die Terrormiliz Islamischer Staat, "wir antworten mit Kultur. Sie verbrennen Bücher, wir sind die mit den Bibliotheken."

Ganz so einfach ist es natürlich nicht. Renzi reserviert im Staatshaushalt für 2016 eine Milliarde Euro dafür, den Etat der Armee zu polstern und den Polizisten mit einem Bonus den Sold etwas aufzubessern. Der Wagenpark der Sicherheitskräfte und die Überwachungskameras sollen modernisiert werden, beides überfällig. Doch gleichzeitig soll derselbe Betrag, eine Milliarde also, dazu dienen, die schwierigsten Vorstädte im Land zu renovieren, um den Frust an der Peripherie zu besänftigen. Zudem sollen alle Italiener, die im nächsten Jahr 18 werden, vom Staat eine Bonuskarte im Wert von 500 Euro erhalten, damit sie sich damit Bücher und Eintrittskarten für Konzerte, Kino, Theater und Museen kaufen können.

Für jeden neuen Panzer soll es auch einen neuen Fußballplatz geben

Was das mit der Bekämpfung des Terrors zu tun hat, wurde zwar nicht klar. Doch Renzi will den Eindruck verhindern, kurzschlüssig und alarmiert zu handeln. In Rom befürchtet man, dass das schwache Wirtschaftswachstum der vergangenen Monate bald wieder verkümmern könnte, wenn nun der Binnenkonsum unter der Terrorangst einbricht. So erklärt sich seine Mischrechnung in den Kapitolinischen Museen. Für jeden Euro, den Italien für mehr Sicherheit aufwendet, soll auch ein Euro in Zukunftsprojekte investiert werden. "Für jeden neuen Panzer", sagte Renzi mit seinem Hang zum griffigen Slogan, "gibt es auch einen neuen Fußballplatz für die Jungen. Für jeden Euro, den wir für die Cyber-Sicherheit ausgeben, stecken wir einen Euro in Start-ups."

Die Opposition hält Renzi Naivität vor. Dieser erwidert: "Die Schönheit wird die Barbarei besiegen." Zunächst muss der Haushaltsvorschlag aber ins Parlament. Zwei Milliarden Euro sind viel Geld für ein Land, das sparen muss. Brüssel billigt die Mehrausgaben nur, wenn sie auch kompensiert werden. Und so erklärte Renzi den Unternehmern, dass die versprochene Erleichterung bei der Gewinnsteuer um ein Jahr verschoben werde - zu Gunsten von Sicherheit und Kultur.

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Quelle:
SZ vom 26.11.2015
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