Süddeutsche Zeitung

Islamkonferenz:Eine Art Kriegserklärung

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Die Islamkonferenz, vor eineinhalb Jahren von Innenminister Schäuble erstmals zusammengerufen, steckt in der Krise. Vor allem die Verpflichtung der Muslime auf eine abendländische Leitkultur ist umstritten.

Matthias Drobinski und Roland Preuß

Am Anfang der dritten Islamkonferenz steht der Ärger: Walid Nakschbandi, der in Afghanistan geborene Fernsehproduzent, möchte nicht mehr mitmachen. Die Konferenz sei eine Farce geworden, weil die Funktionäre der großen muslimischen Verbände die Treffen dominierten - unter den Augen des christdemokratischen Innenministers Wolfgang Schäuble. Andere Meinungen als die der Konservativen kämen nicht mehr durch.

Da mag man im Innenministerium noch so sehr verbreiten, den vielbeschäftigten Medienmann plagten wohl Terminprobleme. Die Wahrheit ist: Die Islamkonferenz, vor eineinhalb Jahren von Schäuble erstmals zusammengerufen, steckt in der Krise.

Auch andere aus der Schar der von staatlicher Seite eigens eingeladenen unabhängigen Muslime und Islamkritiker haben offenbar an Rücktritt gedacht. "Wir sind sauer und fühlen uns ausgetrickst", sagt Ezhar Cezairli, die Zahnärztin aus Frankfurt und Vorsitzende des säkularen "Deutsch-Türkischen Clubs".

Der Grund: In dem 30 Seiten umfassenden Zwischenresümee, das die Konferenz an diesem Donnerstag verabschieden soll, haben die im "Koordinierungsrat der Muslime" (KRM) zusammengeschlossenen Verbände Änderungen durchgesetzt, nachdem die Beratungen eigentlich schon abgeschlossen waren. Das begreifen viele andere Mitglieder als eine Art Kriegserklärung.

Dabei geht es auf den ersten Blick nur um Kleinigkeiten. So war zum Beispiel von einem "Bekenntnis zur deutschen Rechts- und Werteordnung" die Rede, jetzt geht es um ein Bekenntnis "zur deutschen Rechtsordnung und zur Werteordnung des Grundgesetzes".

Doch der Streit um diese Formulierung zeigt, dass die verschiedenen Vertreter des Islams unter den beinahe gleichen Formulierungen sehr unterschiedliche Dinge verstehen. Für die Verbände bedeutet die Ablehnung der Formulierung "deutsche Werteordnung": Wir wollen nicht auf eine deutsche Leitkultur festgenagelt werden. "Das ist uns zu schwammig", sagt Aiman Mazyek, der Generalsekretär des Zentralrats der Muslime. So einen Wertekonsens gebe es nicht einmal zwischen deutschen Parteien.

Schon vor der zweiten Konferenz hatten sie eine Formulierung von den "kulturellen Leitorientierungen der Mehrheitsgesellschaft" scharf abgelehnt. Auch weltlich orientierte Vertreter wie der Chef der Türkischen Gemeinde, Kenan Kolat, wollen da nicht mitmachen. "Das klingt eher nach Assimilation", sagt er. Andere säkulare Muslime sehen im Nein der Verbände den Versuch, der Verpflichtung auf die Werte einer pluralen Gesellschaft zu entkommen, in der Frauen und Männer gleichberechtigt sind, Mädchen am Schwimm- und Biologieunterricht teilnehmen können und nicht an irgendeinen Typen zwangsverheiratet werden.

Schutz von Parallelwelten?

In der entsprechenden Arbeitsgruppe zum Wertekonsens wurde es deshalb Teilnehmern zufolge öfter mal laut. In acht quälend langen Sitzungen zankte die Runde über gerade einmal drei Seiten Text. Die jüngsten Änderungen will die Islamkritikerin und Publizistin Necla Kelek nun aber nicht mehr mittragen. "Ich kann dem nicht zustimmen", sagt Kelek.

Selbst das Bekenntnis der Glaubensvertreter zum Grundgesetz hält sie für unglaubwürdig. "Die Verbände verstehen das Grundgesetz nur unter dem Aspekt der Religionsfreiheit." Sie wollten nur ihre Parallelwelten schützen. Es werden also nicht alle Teilnehmer des Treffens in Berlin ihre Hand für das Papier heben.

Vier Arbeitsgruppen tagen nun seit Herbst 2006. In ihnen sollen 15 Staatsvertreter und 15 Vertreter unterschiedlicher muslimischer Richtungen über gemeinsame Grundlagen des Zusammenlebens und eine bessere Integration sprechen, über "Gesellschaftsordnung und Wertekonsens", "Religionsfragen im deutschen Verfassungsverständnis", über "Wirtschaft und Medien" sowie "Sicherheit und Islamismus". In einigen Bereichen hat es Annäherungen gegeben, etwa beim Islamischen Religionsunterricht. Ansonsten aber hat der Prozess gezeigt, "wie weit wir noch auseinander sind", sagt ein Teilnehmer.

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SZ vom 13.03.2008/grc
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