Süddeutsche Zeitung

Iran:Tötung am Jahrestag

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Al-Masri, Nummer Zwei des Terrornetzwerks al-Qaida, und seine Tochter wurden in Teheran erschossen. Die Angreifer näherten sich mit dem Motorrad - eine Tat, die ins Muster des israelischen Geheimdienstes Mossad passt

Von Peter Münch

Tel Aviv - Ein heißer Sommerabend in Teheran soll es gewesen sein, als Abdullah Ahmed Abdullahs letzte Stunde schlug. Die Nummer Zwei des Terrornetzwerks al-Qaida, besser bekannt unter seinem Kampfnamen Abu Muhammad al-Masri, war einem Bericht der New York Times zufolge in der iranischen Hauptstadt gemeinsam mit seiner Tochter Miriam in einem Auto der Marke Renault unterwegs, als sich zwei Angreifer auf einem Motorrad näherten. Mit fünf Schüssen aus einer Pistole mit Schalldämpfer sollen al-Masri, 58, und seine 27-jährige Tochter getötet worden sein. Die Angreifer: Agenten des israelischen Geheimdienstes Mossad, die im Auftrag der USA gehandelt haben sollen.

Drei Monate soll das schon her sein, und die nun veröffentlichte Geschichte führt mitten hinein in ein mysteriöses Dickicht des Anti-Terror-Kampfes. Bisher gab es lediglich diffuse Gerüchte über al-Masris Tod. Al-Qaida hat das bis heute nicht bestätigt, keine Regierung hat die Verantwortung dafür übernommen, und die iranische Führung hat den Bericht sogleich dementiert und davor gewarnt, in die Falle "hollywoodartiger Szenarien" amerikanischer und israelischer Quellen zu tappen. Doch die US-Zeitung beruft sich auf mehrere Geheimdienstmitarbeiter, und die israelischen Medien sind voll mit Nachfolgeberichten und Analysen.

Der in Ägypten geborene al-Masri zählt zu den Gründungsmitgliedern von al-Qaida und war immer wieder auch als möglicher Nachfolger des jetzigen Anführers Ayman al-Zawahiri genannt worden. Seine Tochter Miriam hatte er mit Osama bin Ladens Sohn Hamza verheiratet, der im vorigen Jahr bei einer US-geführten Anti-Terror-Operation getötet worden war. Al-Masri wird von den USA als Drahtzieher der Bombenanschläge auf die amerikanischen Botschaften in Kenia und Tansania gesehen, bei denen am 7. August 1998 insgesamt 224 Menschen starben und Hunderte verletzt wurden. Seine Tötung in Teheran soll exakt auf den 22. Jahrestag dieser Terrortaten gefallen sein.

Sein Aufenthalt in Iran ist auf den ersten Blick verwunderlich, weil das schiitische Regime und die sunnitischen Terrorgruppe als verfeindet gelten und zum Beispiel in Irak gegeneinander kämpfen. Den zitierten Geheimdienstquellen zufolge sollen jedoch mehrere al-Qaida-Führer in Iran Unterschlupf gefunden haben. Al-Masri soll schon seit 2003 in iranischer "Obhut" gewesen sein und zumindest seit 2015 frei und unter angenehmen Bedingungen in Teheran gelebt haben.

Vermutet wird dahinter eine stillschweigende Abmachung, nach der al-Qaida auf Feindseligkeiten gegenüber Iran verzichtet und dafür freie Hand bekommt für Angriffe auf den gemeinsamen Feind USA. eine solche schiitisch-sunnitische Kooperation gibt es auch bei der gegen Israel gerichteten Unterstützung Teherans für die Hamas und den Islamischen Dschihad im palästinensischen Gazastreifen.

Die beschriebene Tötung al-Masris in Teheran mit Schüssen von einem Motorrad aus passt in ein Muster von Fällen, die dem Mossad zugeschrieben werden. Mehrere iranische Atomwissenschaftler waren in den vergangenen Jahren ähnlichen Angriffen zum Opfer gefallen. Als Beleg für ein gut funktionierendes israelisches Geheimdienst-Netzwerk in Iran wird auch eine Serie von Explosionen in diesem Sommer gewertet, die unter anderem in der Urananreicherungsanlage in Natans schwere Schäden anrichtete. Als erfolgreiche amerikanisch-israelische Geheimdienstkooperation gilt zudem der einst gegen Irans Atomprogramm entwickelte Computerwurm Stuxnet.

Der israelische Journalist und Geheimdienstexperte Ronen Bergman, Mitautor des New York Times-Berichts, orakelt in der Zeitung Yedioth Achronoth, dass die Tötung al-Masris nur eine "kleine Seitenshow im Vergleich zum Hauptereignis" sei, das im langjährigen Konflikt zwischen Iran und den USA nebst Israel noch folgen werde. Seit der Wahlniederlage von US-Präsident Donald Trump wird in Israel heftig darüber spekuliert, ob vor seinem Ausscheiden aus dem Amt noch Aktionen gegen Iran stattfinden könnten.

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