Süddeutsche Zeitung

Systemkritik:Sieben Tote nach anhaltenden Unruhen in Iran

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Vor allem in der westlichen Kurdenregion des Landes und in Teheran nehmen die Proteste zu, mit teils tödlichen Folgen.

Mindestens sieben Menschen sind seit Dienstag im Iran getötet worden, als die Proteste im ganzen Land zugenommen und eine neue Welle von Verhaftungen durch Milizen ausgelöst haben. Das meldet die Nachrichtenagentur Bloomberg.

Die meisten Todesopfer gab es dem Bericht zufolge in der westlichen Kurdenregion des Landes. Dort kam es zu den schlimmsten Unruhen seit Beginn der Proteste, die durch den Tod von Mahsa Amini ausgelöst worden sind. Die 22-jährige kurdisch-iranische Frau war wegen angeblicher Missachtung der islamischen Bekleidungsvorschriften verhaftet worden und kam am 16. September dieses Jahres in Polizeigewahrsam zu Tode.

Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Hengaw wurden in den kurdischen Städten Sanandaj, Bukan und Kamyaran vier Männer von Sicherheitskräften getötet. Zwei Offiziere des Korps der Islamischen Revolutionsgarden wurden ebenfalls in kurdischen Städten getötet, einer in Kamyaran und der andere in Bukan, wie die staatliche Nachrichtenagentur Nour News und die halbamtliche Nachrichtenagentur Mehr berichteten. Ein Geistlicher, der für die Basidsch - eine islamische Miliz in Zivil - arbeitet, wurde ebenfalls getötet, nachdem er in der südlichen Stadt Schiraz von einem Molotow-Cocktail getroffen wurde, berichtet die staatliche Agentur Islamic Republic News Agency, ohne zu sagen, woher sie die Informationen hatte oder eine Quelle zu nennen.

Mindestens 15 000 Menschen wurden bisher verhaftet

Nach Angaben der in Oslo ansässigen Organisation Iran Human Rights wurden seit Beginn der Proteste vor mehr als zwei Monaten mindestens 326 Menschen im Zusammenhang mit den Ausschreitungen getötet, darunter 43 Kinder. Mindestens 15 000 Menschen wurden verhaftet, und die iranische Justiz hat bereits zwei unbewaffnete Demonstranten formell zum Tode verurteilt.

Streiks und Proteste setzten sich aber dessen ungeachtet auch am Mittwoch fort und betrafen den Großen Basar in Teheran, der einst als Stützpfeiler des klerikalen Establishments galt, sowie die Städte Isfahan, Mahabad, Yazd, Bukan, Ahvaz, Kermanshah, Babol und Khorramabad. Am selben Tag gaben die Behörden ihrerseits eine weitere Reihe von Verhaftungen bekannt und behaupteten, viele der Festgenommenen hätten Verbindungen zum Islamischen Staat oder zu französischen Geheimdiensten. Elf Personen wurden unter dem Vorwurf festgenommen, von ausländischen Spionageagenturen dafür bezahlt worden zu sein, dass sie während der Streiks die Geschäfte auf dem Großen Basar von Teheran geschlossen hielten.

Regime steht unter Druck

Die islamistischen Machthaber und der Sicherheitsapparat des Landes stehen angesichts des größten Volksaufstands seit der Revolution von 1979 sowohl innenpolitisch als auch diplomatisch zunehmend unter Druck. Die breite internationale Verurteilung ihrer gewaltsamen Reaktion auf die Proteste und ihre Unterstützung für Russlands Krieg gegen die Ukraine hat zu einer Reihe neuer Sanktionen seitens der USA, Kanadas, der Europäischen Union und des Vereinigten Königreichs geführt.

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