Süddeutsche Zeitung

Artenschutz:Primat des Profits

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Von Arne Perras

Familienzuwachs ist eine aufregende Sache, besonders dann, wenn man gar nicht mehr damit gerechnet hat. So war das auch vor elf Monaten, als ein Forscherteam mit Erkenntnissen aus dem indonesischen Regenwald Furore machte. Die Biologen hatten Skelette und die DNA von Orang-Utans verglichen und kamen zu dem Schluss, dass es neben den beiden bekannten Arten, die im Norden Sumatras und auf Borneo leben, noch eine dritte Spezies gab. So erfuhr die Welt von der Existenz des Pongo tapanuliensis. Der rothaarige Waldbewohner ist das zuletzt bestimmte Mitglied in der Familie der Hominiden und zählt zu den engsten noch lebenden Verwandten des Menschen.

Leider sieht es so aus, als bliebe nur wenig Zeit, um sich über den sensationellen Neuzugang unter den Menschenaffen zu freuen. Sie könnten bald verschwunden sein, wenn nun die Motorsägen kreischen und sich die Bagger, finanziert durch chinesische Kredite, einen Weg durch den Regenwald südlich des Toba-Sees auf der Insel Sumatra bahnen.

Ein Staudamm und ein 510-Megawatt-Kraftwerk sollen dort Energie erzeugen, der Nutzen des Vorhabens ist bestenfalls fragwürdig, denn schon jetzt verfügt die Insel über Elektrizität im Überschuss, außerdem könnten andere Quellen wie die Geothermie ausgebaut werden, was den Orang-Utans keinen Schaden zufügen würde.

Ökologen sind angesichts der massiven Eingriffe im Wald alarmiert. Sie warnen, dass die Tapanuli-Orang-Utans keine Zukunft mehr haben, wenn das 1,6 Milliarden Dollar teure Kraftwerk kommt. Dana Tarigan von der indonesischen Umweltorganisation "Walhi" forderte die Regierung am Montag auf, Untersuchungen über die Folgen endlich öffentlich zu machen. Es regt sich Widerstand in der Zivilgesellschaft, doch um das Vorhaben zu stoppen, müsste der Protest zur breiten Bewegung anschwellen, was bislang nicht absehbar ist.

Schlagen die Kraftwerksbauer nun Schneisen durch den Wald, zünden sie Sprengladungen für den Tunnelbau, überfluten sie Teile des Terrains, errichten sie außerdem eine große Stromleitung quer durch den Dschungel, dann sieht es düster aus für die letzten 800 Tapanuli-Orang-Utans, die den Batang-Toru-Wald südlich des Toba-Sees noch bevölkern.

Auch um die beiden anderen Orang-Utan-Arten steht es nicht gut, weil sich Palmölkonzerne immer mehr ausbreiten. Im Falle des Wasserkraftwerks konzentriert sich die Kritik jedoch auf die chinesischen Geldgeber und Pekings Ehrgeiz, Infrastruktur in großem Ausmaß zu fördern, ohne dabei auf Schäden für die Umwelt zu achten.

Weltbank und asiatische Entwicklungsbank halten sich bezeichnenderweise von dem Vorhaben fern, doch den chinesischen Staatkonzern Synohydro und seine Finanziers in Peking lässt Kritik kalt. Befürworter sagen, das Vorhaben sei umweltschonend ausgelegt. Der australische Biologe Bill Laurance von der James Cook University widerspricht: "Dies ist erst der Anfang einer Lawine von Umweltkrisen", warnt der Forscher mit Blick auf die zahlreichen Projekte der "Neuen Seidenstraße." Für die Affen im Regenwald bedeute der Kraftwerksplan ein "ökologisches Armaggedon", so Laurance. "Es ist verrückt, dieses Projekt durchzuziehen."

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SZ vom 23.10.2018
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