Süddeutsche Zeitung

Immunitätsausweis:Sein Mittel ist Masse

Jens Spahn muss endlich seine Methode ändern.

Von Kristiana Ludwig

So plötzlich, wie die Idee eines Immunitätspasses für alle Bürger, die Covid-19 überstanden haben, entstanden war, so plötzlich ist sie wieder verschwunden. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) musste sich dem Sturm der Entrüstung beugen, der ihm auch vom Koalitionspartner SPD entgegenwehte - obwohl die Sozialdemokraten dem Pass wenige Tage zuvor im Kabinett zugestimmt hatten. Der Vorgang zeigt beispielhaft, wie Spahn regiert: Sein Mittel ist Masse. In dieser Krise ist das gefährlich.

Schon vor der Pandemie galoppierte Spahn mit umfangreichsten Gesetzen durch das Parlament, oft schob er auf den letzten Drücker Änderungen ein. Wenn er auf Widerstand stieß, strich er den Paragrafen kurzerhand wieder. Von Niederlagen sprach er dabei nie, seine Rückzieher nennt Spahn lieber "Debatte". Er habe nur mal einen Vorschlag machen wollen, sagt er dann gern. Auf diese Weise steht Spahn am Ende meist trotzdem als Macher da.

Diese Taktik, die schon in normalen Zeiten Fachpolitikern Kopfzerbrechen bereitet, ist in dieser "epidemischen Lage" brisant. Gesundheitspolitik greift tief in die Grundrechte ein, sie formt die Spielregeln der Gesellschaft. In der Corona-Krise muss Spahn seine Methode endlich ändern, jetzt braucht es Transparenz. Sonst verspielt er Vertrauen in die Politik, das selten so wichtig war.

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Quelle:
SZ vom 06.05.2020
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