Süddeutsche Zeitung

Im Profil:Wolfgang Heitmeier - Rathauschef unter öffentlichem Druck

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Wolfgang Heitmeier, 55, ist eigentlich ein ruhiger, ausgeglichener Mann. Die üblichen lokalpolitischen Ärgernisse nimmt er mit lockerer Distanz. So war das jedenfalls. Nun aber findet sich der Oberbürgermeister von Bad Reichenhall in einer völlig neuen Rolle wieder: als eine Art Angeklagter der öffentlichen Meinung.

Heiner Effern

In jeder Pressekonferenz nach dem Unglück in der städtischen Eissporthalle muss er bohrende Fragen nach der Schuld am Tod von 15 Menschen beantworten. In den knapp 18 Jahren seiner Amtszeit hat sich Heitmeier, der zu den Freien Wählern zählt, als integrer Mann gezeigt. Er musste sich die Kritik gefallen lassen, den einst mondänen Kurort nach dem Zusammenbruch im Gesundheitswesen zu langsam neu ausgerichtet zu haben.

In seiner Amtszeit hat Bad Reichenhall auch deswegen eine Million Übernachtungen im Jahr verloren und mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Für die Bürgermeisterwahlen im März kann er aber auch auf Erfolge aus jüngerer Zeit verweisen. Eine bestens ausgestattete neue Therme wurde eingeweiht. Und im lange vor sich hin gammelnden historischen Kurmittelhaus entsteht ein international beachtetes Forschungszentrum für Höhendruckkammern. Wenn auch sehr spät, ein Anfang für eine Neuausrichtung des Tourismus scheint geschafft.

Provinz-Bürgermeister, nicht gestählter Polit-Profi

Doch nun steckt Heitmeier in einer Situation, die mit Sicherheit die schwierigste seines Lebens ist. Dabei hat er zwei Fehler gemacht: Er hat sich zu früh und zu rigoros darauf festgelegt, dass es auf Seiten der Stadt keinerlei Versäumnisse gibt, ohne dass er dies lückenlos belegen könnte. Und immer wieder gibt er Informationen - wie etwa über die Messung der Schneehöhen auf dem Hallendach kurz vor dem Unglück - bekannt, die er nicht näher erläutern kann oder will.

Harmlose Details, die seine Verwaltung ihm leicht zuarbeiten könnte, gibt er nicht an die Öffentlichkeit weiter. So erweckt er den Eindruck eines Mannes, der stocksteif jede Kritik an der Stadt zurückweist, ohne die bohrenden Vorwürfe widerlegen zu können.

Heitmeier ist, wie sein näheres Umfeld bestätigt, von den vielen Todesfällen tief getroffen. Seit Tagen bewegt er sich sichtbar am Rande des physischen und psychischen Zusammenbruchs. Niemand seiner Kritiker bedenkt, dass hinter dem Wald aus Mikrofonen der Provinz-Oberbürgermeister einer bayerischen Kleinstadt sitzt, nicht ein gestählter Politprofi.

Offenbar besitzt der ausgebildete Jurist in dieser Lage keine einflussreichen Berater oder Zuarbeiter im Rathaus, die ihn gut vorbereitet in die Pressekonferenzen schicken oder ihm einmal eine Pause zur Regeneration verschaffen. So taumelt er von Pressekonferenz zu Interview-Termin, und er muss sich in einer Atmosphäre der Halbwahrheiten, zu der er auch selbst beigetragen hat, oftmals unverhältnismäßig hart anpacken lassen.

Gleichgültig, wie die Schuldfrage geklärt wird, Bad Reichenhalls Oberbürgermeister dürfte politisch stark beschädigt zurückbleiben. Ob er als Stadtoberhaupt tatsächlich eine Mitverantwortung für das Unglück trägt, steht bisher jedoch keineswegs fest.

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Quelle:
SZ vom 5.1.2006
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