Süddeutsche Zeitung

Welthunger-Index:Vor leeren Getreidespeichern

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Das Ziel, den Hunger bis 2030 zu besiegen, rückt in immer weitere Ferne. Woran liegt das?

Hungersnöte nehmen weiter weltweit zu. Das zeigt der am Donnerstag vorgelegte Welthunger-Index 2021: Etwa 811 Millionen Menschen litten 2020 an chronischem Hunger, nahmen also dauerhaft zu wenig Nahrung auf. Das seien 20 Millionen mehr als im Vorjahr, erläuterte die Präsidentin der Welthungerhilfe, Marlehn Thieme, in Berlin . "Die Welt ist bei der Hungerbekämpfung vom Kurs abgekommen und entfernt sich immer weiter vom verbindlichen Ziel, den Hunger bis 2030 zu besiegen", stellt die Organisation fest.

Konflikte und der Klimawandel sind laut Welthungerhilfe und UN die größten Hungertreiber, die Corona-Pandemie hat die Lage verschärft. Auch Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) zeigte sich besorgt: "Hunger ist Mord", sagte er der Augsburger Allgemeinen. Es gebe Wissen und Technologie, um "alle Menschen satt zu machen".

Der Welthunger-Index untersucht die Ernährungslage in 128 Ländern auf Indikatoren wie Wachstumsverzögerungen und Kindersterblichkeit. Von extremem Hunger waren demnach 155 Millionen Menschen betroffen, knapp 30 Millionen drohten 2020 zu verhungern. Vor allem Südasien und afrikanische Länder südlich der Sahara verzeichnen Hungersnöte. 47 Länder werden bis 2030 nicht einmal ein niedriges "Hungerniveau" erreichen.

Immer sind die Ärmsten betroffen - ob durch Klimawandel oder Pandemie

Der Generalsekretär der Welthungerhilfe, Mathias Mogge, wies auf die dramatische Lage im Jemen und in Somalia hin, wo Getreidespeicher und Brunnen bei Kämpfen angegriffen würden und Märkte nicht mehr funktionierten. Auch in der äthiopischen Konfliktregion Tigray drohe vielen akut der Hungertod. Die Welthungerhilfe forderte die UN und ihre Mitglieder auf, Aushungern als Kriegsverbrechen zu verfolgen.

Die Pandemie führte laut Index gerade bei armen Menschen zu Einkommensverlusten durch Ausgangsbeschränkungen. Hinzu kämen weniger Lebensmittelimporte und höhere Preise. Mogge erläuterte, dass in armen Ländern 60 bis 80 Prozent der Einkommen in Nahrung gingen - werde sie teurer, werde weniger gegessen.

Die Klimakrise bringt mehr Hitzewellen, Dürren und Überflutungen. Das UN-Welternährungsprogramm geht davon aus, dass bei einer um zwei Grad höheren globalen Durchschnittstemperatur 189 Millionen Menschen mehr hungern. Die Hauptlast würden Arme tragen, die von Landwirtschaft, Fischerei und Viehzucht abhängen. So seien in Madagaskar Zehntausende Leben in Gefahr. Wegen anhaltender Dürre litten fast 1,1 Millionen Menschen akut an Hunger. Laut Index ist die Lage dort "sehr ernst" mit 36,3 auf der 100-Punkte-Skala. Somalia hat mit 50,8 den schlechtesten Wert. Darauf folgen die Zentralafrikanische Republik, Tschad, die Demokratische Republik Kongo und Jemen, bedrohlich ist die Lage auch in Afghanistan und im Südsudan.

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