Süddeutsche Zeitung

Neues Wahlsystem:China unterwirft Hongkongs Parlament

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Ein von Peking dominiertes Gremium soll künftig entscheiden, welche Kandidaten bei Wahlen antreten dürfen.

Von Lea Deuber, Peking

Peking reformiert das Wahlsystem in der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong. Die Abgeordneten des Nationalen Volkskongresses nahmen am Donnerstag einen Beschluss mit 2895 Jastimmen und einer Enthaltung an. Ziel der Reform ist laut Peking, dass zukünftig nur noch "Patrioten" in Hongkongs Parlament sitzen. Weitere Details der Reform wurden nicht veröffentlicht.

Medien in Hongkong berichteten, dass das Komitee zur Wahl der Hongkonger Regierungschefin oder des Regierungschefs von bisher 1200 auf 1500 Mitglieder vergrößert werden soll. Das schon jetzt in dem Komitee dominierende Peking-treue Lager könnte weiter gestärkt werden. Auch soll das gleiche Wahlkomitee künftig darüber entscheiden, wer überhaupt bei den Parlamentswahlen antreten darf, womit Kandidaten indirekt auf die Zustimmung Pekings angewiesen wären. Das Parlament soll laut den Berichten zudem von 70 auf 90 Sitze vergrößert werden.

Kritiker sehen in der Reform einen weiteren Angriff auf Hongkongs Autonomierechte, die der Stadt noch bis 2047 zugesichert sind. Chinas Außenminister Wang Yi verteidigte die umstrittene Reform am Wochenende. Loyalität zum Vaterland sei eine Anforderung für Amtsträger in jedem Land. Das Vorhaben sei "rechtmäßig, angemessen und vernünftig".

Vor einem Jahr hatte Peking bereits ein Sicherheitsgesetz für Hongkong erlassen. Das sieht lebenslange Haft als Höchststrafe für zahlreiche Vergehen vor, die Chinas Behörden als Subversion, Abspaltung und Terrorismus werten.

Peking verschärft seine Kontrolle über die frühere britische Kronkolonie stetig, seit 2019 Hunderttausende monatelang gegen den wachsenden Einfluss Pekings demonstrierten. Ein Teil der Bewegung radikalisierte sich. Der Vizevorsitzende des Ständigen Komitees Wang Chen hatte zum Auftakt des Volkskongresses erklärt, "die Randale und Turbulenzen" in der chinesischen Sonderverwaltungszone hätten gezeigt, dass das Wahlsystem in Hongkong offensichtliche Lücken und Mängel habe. Mit der Reform würden "institutionelle Risiken" beseitigt.

Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam hatte die geplanten Parlamentswahlen im September 2020 verschoben. Sie begründete diesen Schritt mit der Pandemie, Grund dürfte allerdings die Sorge vor der großen Unterstützung der Protestbewegung in Hongkong gewesen sein. Bereits bei den Bezirkswahlen im November 2019 hatte die Opposition 344 der 452 Sitze in den Bezirksräten gewonnen.

Auch bei den inoffiziellen Vorwahlen fürs Parlament im Juli nahm eine Rekordzahl von 610 000 Hongkongern teil, obwohl die Regierung die Wähler vorab gewarnt hatte und von "bösartigen Umsturzplänen" sprach.

47 Oppositionsanhänger vor Gericht - darunter auch Aktivist Joshua Wong

Bevor der Nationale Volkskongress in Peking tagte, mussten sich bereits 47 Oppositionsanhänger im Zusammenhang mit den Vorwahlen wegen angeblicher Verschwörung zur Staatsgefährdung vor Gericht verantworten. Vier der Angeklagten, darunter Aktivist Joshua Wong, werden bereits seit Monaten wegen anderer unterstellter Vergehen im Gefängnis festgehalten. Hunderte Demonstranten hatten in den vergangenen Tagen immer wieder vor dem Gericht demonstriert.

Drei wichtige Entscheidungen stehen in den kommenden zwölf Monaten in Hongkong an. Die Parlamentswahlen sollen nachgeholt werden, Ende des Jahres könnten die 1500 Personen des Wahlkomitees bestimmt werden, die im März 2022 die neue Regierungschefin oder den Regierungschef wählen. Bisher ist nicht klar, ob Amtsinhaberin Carrie Lam noch einmal antritt.

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