Süddeutsche Zeitung

Rechtsextremismus:Polizistin schreibt heimlich Briefe an Attentäter von Halle

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Sie soll dem Rechtsterroristen Stephan B. gegenüber monatelang Sympathie für seine Taten ausgedrückt haben. Das Innenministerium Sachsen-Anhalts hat die Beamtin bereits vom Dienst suspendiert. 

Von Georg Mascolo und Ronen Steinke

Das Innenministerium in Sachsen-Anhalt hat nach Recherchen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR eine junge Polizeikommissarin aus dem Bereich der Polizeiinspektion Dessau-Roßlau vom Dienst suspendiert. Der Vorwurf: Die Beamtin soll heimlich eine Brieffreundschaft mit dem wohl bekanntesten Strafgefangenen in dem Bundesland entwickelt haben, dem Rechtsextremen Stephan B., der vor zwei Jahren einen Anschlag auf die Synagoge in Halle an der Saale verübte. Auch die Mitteldeutsche Zeitung berichtet von dem Fall.

In mehr als zehn Briefen, die die Beamtin im Laufe mehrerer Monate schrieb, soll sie ihr Verständnis für die Tat ausgedrückt haben. Beruflich soll die Beamtin nicht speziell mit Ermittlungen wegen Terrorismus oder anderer Hassverbrechen betraut gewesen sein, auch nicht mit dem Schutz jüdischer Einrichtungen. Dass sie große Sympathien für den Rechtsterroristen Stephan B. hegte, soll im Kollegenkreis lange unbemerkt geblieben sein.

Erst im Sommer fiel Kollegen auf, dass sie sich positiv über den Attentäter äußerte. Sie soll seine Tat relativiert haben. Die Beamten meldeten den Fall ihren Vorgesetzten, so wurde die Beamtin zur Rede gestellt. In der Folge kam heraus, wie lange sie schon mit Stephan B. in Kontakt stand. Bei einer Kontrolle von dessen Zelle in der Justizvollzugsanstalt waren die Briefe gefunden worden.

Für ihre Brieffreundschaft mit dem Attentäter soll die Polizeikommissarin einen falschen Namen und eine falsche Adresse angegeben haben, weshalb bei der Postkontrolle in der Justizvollzugsanstalt, in der Stephan B. einsitzt, nicht sofort klar war, dass es sich um eine Polizistin handelt. Der Rechtsterrorist soll Briefe von mehreren Personen erhalten haben, die nun ebenfalls überprüft werden.

Die Nachricht sei erschütternd, sagte der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Halle, Max Privorozki, auf Anfrage. "Ich habe trotz dieses wahnsinnigen Falls Vertrauen in die Polizei. Solche Irren scheint es leider überall zu geben." Das Innenministerium Sachsen-Anhalt wollte sich auf Anfrage nicht äußern.

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