Süddeutsche Zeitung

Guttenberg und Merkel:Der Herrin neuer Diener

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Vier Tage nach der Opel-Entscheidung treten Kanzlerin Merkel und Wirtschaftsminister Guttenberg gemeinsam auf. Jetzt zeigt sich: Die Niederlage des einen ist die Chance der anderen.

Thorsten Denkler, Berlin

Sie kommen gemeinsam und gehen getrennt. Wobei es schon erstaunlich genug ist, dass Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) überhaupt so früh schon hier ist.

Er soll erst gegen Mittag hier im großen Ballsaal des Berliner Nobelhotels Adlon sprechen. Die morgendliche Eröffnungsrede von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor den Mitgliedern der "Initiative neue soziale Marktwirtschaft" hätte er sich an anderen Tagen sicher gespart.

Ein Bundeswirtschaftsminister sollte in diesen Krisentagen eigentlich Wichtigeres zu tun haben, als einer ereignisarmen Rede seiner Kabinettschefin zu lauschen.

Doch nach der Opel-Rettungsnacht von Freitag auf Samstag schien es ihm wohl wichtig, gemeinsam mit Merkel gesehen zu werden. Er war gegen das Bürgschaftskonzept, mit dessen Hilfe Opel nun vom österreichisch-kanadischen Autozulieferer Magna weitergeführt werden soll. Er wollte die geordnete Insolvenz.

In jener Nacht aber musste er sich wegen seiner vielen Fragen an die Magna-Vertreter von Merkel anblaffen lassen, das seien doch Fragen, die eigentlich der Bundeswirtschaftsminister beantworten können müsse. Hinterher blieb Guttenberg nichts anderes zu tun, als sich der Mehrheitsmeinung anzuschließen.

Merkel macht auch hier keinen Hehl daraus, dass es eine unterschiedliche Risikobewertung in Bezug auf Opel gegeben habe. Sie jedenfalls bleibe dabei, "dass wir im Fall von Opel einen besonderen Fall haben". Ganz anders übrigens als im Fall des Warenhauskonzerns Arcandor, der jetzt um Staatshilfe nachgefragt hat. Dort gebe es ein Prozedere, das jetzt eingehalten werden müsse. Eine politische Entscheidung stehe nicht an. Das ist eine der wenigen Stellen, an denen die Kanzlerin Applaus bekommt.

In Sachen Opel "respektiere" sie dennoch die Bedenken des Bundeswirtschaftsministers. Und mehr noch, sie spricht ihm Dank aus für die geleistete Arbeit und bescheinigt ihm, bisher eine "wichtige Rolle" gespielt zu haben. Wieder Applaus, diesmal aber für Guttenberg. Der nimmt - den Zeigefinger an der Wange, den Daumen am Kinn - das lächelnd zur Kenntnis. Hat sich doch gelohnt, herzukommen.

Nach ihrer Rede setzt sich Merkel gar nicht erst wieder. Ein kurzer Gruß ins Publikum, dann ist sie weg. Guttenberg kann gar nicht so schnell aufstehen, wie Merkel verschwunden ist und eilt hinterher. Noch ein gemeinsames Bild mit der Kanzlerin, das wäre es gewesen. Doch Merkel ist für ihn uneinholbar. Stattdessen checkt er jetzt erst mal vor laufenden Kameras seinen Blackberry. Er komme gleich wieder, verspricht er, er habe noch einen Termin.

Pünktlich ist Guttenberg zurück. In seiner kurzen Rede wird dann deutlich, welch "wichtige Rolle" die Kanzlerin dem Bundeswirtschaftsminister zugedacht hat. Oder besser dem "immer noch jungen" Minister, wie INSM-Chef und Polit-Rentner Hans Tietmeyer einführend stichelt. Guttenberg soll den ordnungspolitischen Hardliner geben, quasi den Friedrich-Merz-Ersatz, dem Grundsätze noch heilig sind, der aber nicht gleich zurücktritt, wenn diese gerade mit Füßen getreten werden.

Und so beginnt Guttenberg, sich staatsmännisch vor den Mikrofonen aufbauend, seine Schlussbemerkungen auch mit dem Vorwurf, er habe sich angeblich in den Schmollwinkel zurückgezogen. "Schmollwinkel sehen anders aus", stellt er fest. Ein fröhliches Lächeln allerdings auch. Guttenberg bemüht sich redlich, der ernsten Lage ein ernstes Gesicht zu geben.

Er werde auch in Zukunft seine "ganzen Kräfte dafür einsetzen", wachsam auf die Einhaltung der Leitlinien der sozialen Marktwirtschaft zu achten. Vor allem die des freien Wettbewerbs und die eines "festen und klaren" Ordnungsrahmens für die Märkte.

Am Wettbewerbsprinzip "müssen wir gerade jetzt festhalten", sagte Guttenberg. Er würde sich "manchmal mehr Mut wünschen" von denen, die diese Prinzipien gerne hochhielten, diese jetzt auch durchzusetzen. Offen ließ er, ob er damit die SPD oder doch die Kanzlerin gemeint haben könnte. Die SPD versteht sich in Sachen sozialer Marktwirtschaft ja eher nicht als Prinzipienreiterin.

Definitiv die SPD meint er, als er vom "Herausblöken" von Heilsversprechen spricht, wenn es um die Rettung von Arcandor gehe. Die derart blökende Herde angeführt haben in den vergangenen Tagen vor allem Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier und SPD-Chef Franz Müntefering.

Guttenberg wiederholt einfach, was er am Morgen schon von Merkel gehört hatte. Es seien Instrumente und Gremien geschaffen worden, die sich "mit sachlichen Kriterien auseinanderzusetzen haben". Die seien Grundlage für Entscheidungen.

Vielleicht wird es ja diesmal etwas mit der von Guttenberg geliebten "geordneten Insolvenz", die er schon Opel vergeblich angedeihen lassen wollte. Jedenfalls werde die Option Insolvenz auch im Fall Arcandor wichtig werden, prophezeit Guttenberg. Die sei nämlich gar nicht so schlecht wie manche täten und habe mit Pleite nichts zu tun. Zumindest könne diese Option "eine hilfreichere sein", als über Staatsgeld lediglich die "Bruchkante und Fallhöhe für die Betroffenen zu erhöhen".

Hier im Adlon ist ihm der Applaus für solche Sätze sicher. Auf einer Betriebsversammlung von Arcandor hätte er da wohl weniger gute Karten, weshalb ihm von linker Seite auch gerne Kaltherzigkeit unterstellt werde. Guttenberg gibt zurück, mit kaltherzig könne eher der verbunden werden, der sich mit falschen Versprechungen über die nächste Wahl zu retten versuche.

Solche Sätze wird Merkel in den kommenden Monten mehr von ihm hören wollen. Opel ist durch, bei Arcandor heißt es hart bleiben. Das ist jetzt Guttenbergs Job.

Dies dürfte sie sein, die "wichtige Rolle", die Guttenberg in Merkels Augen zu spielen hat: Der Opel-Märtyrer wird ihr persönlicher wirtschaftsliberaler Blitzableiter. In jedem Fall, um sich über die nächste Wahl retten zu können.

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