Süddeutsche Zeitung

Grundsteuer:Ein rostiges Werkzeug

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Die Finanzminister sind sich einig: Die Grundsteuer soll reformiert werden. Das ist höchste Zeit, denn die Maßstäbe der Grundsteuer sind hoffnungslos veraltet. Dabei könnte sie als Instrument wirkungsvoller als die meisten anderen Steuern sein.

Von Guido Bohsem

Wäre die Grundsteuer ein Werkzeug, sie stünde im Schuppen ganz hinten in der Ecke. Seit Ewigkeiten nehmen sich die Finanzminister von Bund und Ländern immer wieder vor, das Gerät endlich auf Vordermann zu bringen. Doch bis auf den Vorsatz ist bislang nicht viel dabei rumgekommen.

Dabei sind sich alle weitgehend einig, dass dringend etwas geschehen muss, zum Beispiel weil zur Bewertung der Grundstücke und Immobilien noch Richtwerte aus den Jahren 1964 (im Westen) und 1935 (im Osten) verwendet werden. Das heißt, Grundbesitzer, Hauseigentümer und Mieter zahlen eine Steuer, die mit den tatsächlichen Grundstücks- und Immobilienpreisen des Jahres 2016 nichts aber auch gar nichts mehr zu tun hat.

Die Mehrheit der Landesfinanzminister hat sich nun auf einen neuen Versuch geeinigt, die alte Grundsteuer wieder flottzumachen. Ihr Konzept entspricht in etwa dem, was ihre Vorgänger 2004 vorgelegt haben. Dem neuen Versuch dürfte es ähnlich ergehen wie dem alten. Nach ein paar Monaten Diskussion stellt man das rostige Werkzeug Grundsteuer wieder in die Ecke.

Das ist ein Fehler. Denn eine gut gemachte Grundsteuer wäre ungeheuer effizient und leistungsfähig. Über keine andere Steuer haben die Ökonomen im Lauf der Jahrhunderte größeres Lob verloren. Adam Smith galt ebenso als Fan der Abgabe wie David Ricardo. Strittig bleibt unter Volkswirten alleine, ob die Grundsteuer das Potenzial hat, alle anderen Steuern zu ersetzen, wie es Henry George meinte. Ganz so radikal muss es nicht zugehen. Mit einer vernünftigen Grundsteuer wäre Deutschland aber auf jeden Fall geholfen.

Die Grundsteuer ist bei Ökonomen so beliebt, weil sie weniger Nebenwirkungen hat als andere Steuern. Steuern auf den Arbeitslohn etwa machen es tendenziell unattraktiver, mehr zu arbeiten. Eine Steuer auf Erspartes vermindert die Bereitschaft mehr zu sparen. Eine Grundsteuer hat solche Auswirkungen nicht, denn sie kann ja die Menge des Landes nicht beeinflussen. Zudem hat die Grundsteuer für den Fiskus einen unschlagbaren Vorteil. Sie lässt sich nicht umgehen. Geld kann man ins Ausland schleusen, Grundstücke nicht.

Das wichtigste Argument für eine Landsteuer aber ist, dass sie Untätigkeit bestraft. Für ein unbebautes Stück Land wird dieselbe Steuer fällig wie für ein bebautes. So entsteht ein großer Anreiz, das Land nicht brachliegen zu lassen, sondern etwas damit zu machen. Die Auswirkungen ließen sich nicht nur in den großen Städten, sondern vor allem in den Vorstädten und auf dem Land beobachten. Auf mittlere Sicht würde die Zahl der Gebäude und damit der Wohnraum zunehmen - ganz ohne teure Förderprogramme.

Soweit die Theorie. Die klassische Grundsteuer und die deutsche Grundsteuer unterscheiden sich lediglich in einem Punkt. Hierzulande wird nicht nur der Wert des Grundstücks als Grundlage für die Steuer genommen, sondern auch noch der Wert der Immobilie, die auf dem Grundstück steht. Und daraus ergeben sich die meisten Schwierigkeiten der deutschen Grundsteuer. Den Wert eines Grundstücks zu beziffern ist recht simpel. Ungleich schwieriger ist es, den Wert des Gebäudes richtig festzulegen.

Die klassische Grundsteuer hat allerdings einen großen Nachteil. Sie ist politisch nur sehr schwer umzusetzen. Zwar würden einige Landbesitzer entlastet, viele aber müssten mehr Steuern zahlen als bisher. Das würde zu heftigem Protest führen, wie die Pläne zeigen, die Erbschaftsteuer zu reformieren. Doch haben die Befürworter der reinen Grundsteuer ein starkes Argument auf ihrer Seite. Mit ihr könnte die Knappheit auf dem Wohnungsmarkt gelindert werden - gerade angesichts der vielen Flüchtlinge ein gutes Motiv.

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Quelle:
SZ vom 07.06.2016
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