Süddeutsche Zeitung

Grüne:Nicht mehr so laut

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Nach dem Lauschangriff auf dem Parteitag will Winfried Kretschmann künftig leiser in Rage geraten.

Von Josef Kelnberger, Stuttgart

Mehr als eine halbe Million Mal ist Winfried Kretschmanns Wutausbruch beim Grünen-Parteitag auf Youtube mittlerweile angeklickt worden. Ein beachtlicher Wert für einen Politikerauftritt, und angesichts des öffentlichen Echos zeichnet sich ab: Zumindest seinem persönlichen Ruf hat das Lästern über die Auto-Pläne seiner Partei nicht geschadet, im Gegenteil. Mit der Frage von Nutzen und Schaden wollte sich Kretschmann aber nicht beschäftigen, als er am Dienstag zur Veröffentlichung des Videos durch einen rechten Blog Stellung nahm. Seine Klage: "Die Regeln des Anstands sind verletzt worden. Es verschiebt sich etwas in unserer Gesellschaft."

In dem Mitschnitt vom Bundesparteitag vor eineinhalb Wochen ist zu sehen und zu hören, wie Kretschmann im Gespräch mit einem befreundeten Bundestagsabgeordneten über den Grünen-Beschluss herzieht, demzufolge von 2030 an keine Verbrennungsmotoren mehr zugelassen werden sollen. "Schwachsinns-Termin", war zu hören. Kretschmann ahnte offenbar nicht, dass seine Suada in Bild und vor allem Ton aufgezeichnet wurde. Durch die Veröffentlichung würden die Grenzen zwischen Öffentlichkeit und Privatsphäre verwischt, sagte Kretschmann. Er nannte es "prekär", dass er nun sein Verhalten überdenken müsse. Bei Parteitagen werde man sich wohl für vertrauliche Gespräche zurückziehen müssen. Außerdem will er nicht mehr so laut werden, wenn er in Rage gerät.

Die Staatsanwaltschaft will keine Ermittlungen wegen des Läster-Videos aufnehmen

Das Video konterkarierte den Versuch der Grünen, vor der Bundestagswahl Einigkeit zu demonstrieren. Kretschmann hat in Telefonaten mit Parteichef Cem Özdemir und Fraktions-Chef Toni Hofreiter versucht, die Wogen zu glätten. Hofreiter, den Kretschmann in seiner Brandrede persönlich angegangen war, habe sehr gelassen reagiert, ist zu hören. Juristische Konsequenzen wird die Veröffentlichung nicht haben. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart teilte mit, sie sehe keinen Anlass, ein Ermittlungsverfahren wegen Verletzung von Persönlichkeitsrechten einzuleiten. Und Kretschmann will keine Anzeige erstatten.

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Quelle:
SZ vom 28.06.2017
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