Süddeutsche Zeitung

Bootsunglück vor Griechenland:Keine weiteren Überlebenden entdeckt - Hunderte Tote befürchtet

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Ein voll besetztes Fischerboot kentert südwestlich der Halbinsel Peloponnes. Bilder zeigen, wie eng die Menschen an Bord zusammengepfercht waren. Als das Schiff unterging, hatten viele wohl keine Chance. Die Suche geht weiter.

Die Suche nach weiteren Überlebenden des schweren Bootsunglücks vor Griechenland ist in der Nacht ohne Erfolg fortgesetzt worden. "Weder Überlebende noch weitere Opfer wurden in der Nacht entdeckt", sagte ein Sprecher der griechischen Küstenwache am Morgen im Staatsrundfunk.

Das etwa 30 Meter lange und verrostete Fischerboot war am Mittwochmorgen ungefähr 50 Seemeilen (etwa 92 Kilometer) vor der südwestlichen Küste Griechenlands gekentert und untergegangen. Die Behörden bestätigen bislang 79 Tote, sie gehen aber davon aus, dass die Zahl noch dramatisch steigen wird. An Bord des untergegangenen Kutters könnten nach Aussagen von geretteten Migranten mehr als 700 Menschen gewesen sein, unter ihnen zahlreiche Kinder.

Die meisten Menschen konnten das Boot offensichtlich nicht rechtzeitig verlassen. Viele sollen sich unter Deck aufgehalten und beim schnellen Sinken des Bootes keine Chance gehabt haben, sich nach draußen zu retten. Bislang ist von 104 Überlebenden die Rede. Sie wurden im südgriechischen Hafen Kalamata in Zelten untergebracht. 26 von ihnen hätten im Krankenhaus hauptsächlich wegen Unterkühlung behandelt werden müssen, teilten die Behörden mit. Schiffe der griechischen Küstenwache und Kriegsmarine brachten auch die bislang gefundenen Leichen nach Kalamata.

Bilder des heillos mit Migranten überfüllten Fischerbootes, die am Abend in griechischen Medien veröffentlicht wurden, bestätigen Vermutungen, dass es sich um viele Hundert Passagiere gehandelt haben könnte. Die von der Küstenwache zur Verfügung gestellten Aufnahmen zeigen, dass sich allein schon an Deck des verrosteten Fischkutters bis zu 200 Menschen drängten. Auszumachen sind ein weiteres Zwischendeck und der Rumpf. "An Deck des Schiffes waren die Menschen zusammengepfercht, das Gleiche vermuten wir auch für den Innenraum", sagte ein Sprecher der Küstenwache dem Staatssender ERT.

Der Sender ERT berichtete am Mittwochnachmittag, drei Überlebende des Unglücks würden von den griechischen Behörden vernommen. Sie stünden im Verdacht, als Schleuser agiert zu haben.

Nach Angaben Überlebender war das Boot vom libyschen Tobruk aus in See gestochen. Schon am Dienstag hätten italienische Behörden über ein voll besetztes Fischerboot im griechischen Such- und Rettungsbereich informiert, berichtete die Küstenwache Griechenlands. Ein Frontex-Flugzeug habe das Boot daraufhin südwestlich der Peloponnes lokalisiert.

Bevor es am Mittwochmorgen gekentert sei, hätten die Küstenwache und vorbeifahrende Frachter den Menschen mehrfach Hilfe angeboten, die sie jedoch abgelehnt hätten. Stattdessen hätten sie erklärt, sie wollten weiter nach Italien, sagte ein Sprecher der Küstenwache. Als Ursache des Unglücks vermuten die Behörden eine plötzliche Panik an Bord. Die Küstenwache habe das Boot nach der Kontaktaufnahme weiterhin beobachtet und plötzlich abrupte Bewegungen wahrgenommen, die das Boot zum Kentern gebracht hätten.

Eine groß angelegte Suchaktion lief direkt nach dem Unglück an. Daran beteiligt waren Patrouillenboote der Küstenwache, die Luftwaffe, eine Fregatte der Kriegsmarine sowie sechs Frachter und andere Schiffe in der Region.

Während der langen Fahrten von den Küsten der Türkei oder Nordafrikas gibt es immer wieder Havarien, weil es sich oft um alte, seeuntüchtige Boote handelt. Auch gibt es an Bord meist keinen Bootsführer, der für die gefährliche Reise ausgebildet ist. Im vergangenen Jahr sind nach UN-Angaben in der Region mindestens 326 Menschen ums Leben gekommen. Die Küstenwache geht aber von viel mehr Menschen aus, die die Fahrt über das Mittelmeer nicht überlebt haben.

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SZ/dpa/fued/case/olkl/saul
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