Süddeutsche Zeitung

Asylpolitik:Löchrige Kontrollen an deutsch-österreichischer Grenze

Lesezeit: 3 min

Von Matthias Köpf, Kiefersfelden

Die Kolonne reißt nicht ab, ein Auto nach dem anderen rollt unter prüfenden Blicken der Polizisten langsam ins Land. Ist der Wagen drüben in Kufstein zugelassen oder hier im Landkreis Rosenheim? Kommt er von weiter her, womöglich über den Brenner? Hängt er auffällig tief in der Federung? Der Beamte winkt einen Kastenwagen mit italienischem Kennzeichen zum Kontrollzelt und reicht kurz darauf die Kelle dem Kollegen. Die Polizisten rotieren, länger als 20 Minuten lässt sich die Konzentration kaum halten.

Seit zwei Jahren kontrollieren sie hier an der A 93 im Inntal sowie an der A 8 nahe Salzburg und an der A 3 bei Passau. Bundesinnenminister Thomas de Maizière, seinem bayerischen Kollegen Joachim Herrmann und dem ebenfalls gerade wahlkämpfenden österreichischen Minister Wolfgang Sobotka (ÖVP) gelten die Grenzkontrollen als Erfolgsmodell, die EU-Kommission hat gerade eingelenkt und Vorschläge angekündigt, wie nun doch über November hinaus kontrolliert werden könnte. Doch im Grenzgebiet ächzen Pendler und Betriebe unter den steten Staus. Andere Kritiker halten die Kontrollen in dieser Form ohnehin eher für Symbolpolitik.

Denn seit die Bundespolizei seit Ende 2016 auf Druck der CSU-geführten Staatsregierung von einer Hundertschaft bayerischer Bereitschaftspolizei unterstützt wird, sind zwar die drei Autobahnkontrollpunkte rund um die Uhr besetzt. Doch abseits der Autobahnen gibt es rund 60 weitere Grenzübergänge zwischen Österreich und Deutschland, und bei Weitem nicht alle sind so abgelegen wie der stählerne Steg zwischen den Bergstationen der Tiroler und Garmischer Zugspitzbahnen oder wie der alte Salzstollen, der vom Schaubergwerk in Hallein zwar nicht auf, aber immerhin in deutschen Boden führt.

An den allermeisten Übergängen wird höchstens sporadisch kontrolliert - an belebteren wie zwischen Salzburg und Freilassing oder zwischen Bregenz und Lindau steht öfter mal Polizei, an anderen, etwas abgelegeneren, ist so gut wie nie ein Streifenwagen zu sehen. Das werden auch die Schleuser registrieren, zu deren gängiger Praxis es gehört, Autos mit Spähern vorauszuschicken. Aufgriffe an den kleineren Übergängen kann die Bundespolizei jedenfalls nur sehr selten melden.

Die Kontrollpunkte an den Autobahnen nehmen immer festere Formen an

An den drei Autobahn-Kontrollpunkten wurden von Jahresbeginn bis Ende Juli nach Angaben des bayerischen Innenministeriums 2114 Menschen beim Versuch einer unerlaubten Einreise aufgegriffen sowie 165 mutmaßliche Schleuser, meist waren es die Fahrer der betreffenden Autos. Bei allen Grenzkontrollen zusammen - einschließlich denen in Zügen, an Bahnhöfen und Flughäfen - waren es im gleichen Zeitraum etwa 11 000 Migranten, weitere rund 3300 seien an der Grenze zurückgewiesen worden.

Als Begründung für die Kontrollen gelten den Innenministern aber längst nicht mehr allein Flüchtlingszahlen, die im Vergleich zu 2015 und 2016 stark gesunken sind, sondern auch der Kampf gegen Einbrecherbanden oder Drogenhändler. So sind die Grenzkontrolleure an den drei Autobahnen von Januar bis Juli auf 1059 Straftaten gestoßen und auf 6207 Menschen, die aus verschiedenen Gründen zur Fahndung ausgeschrieben waren. 1159 davon wurden an Ort und Stelle festgenommen. Allerdings ließen sich ähnliche Erfolge nach Einschätzung erfahrener Fahnder auch an Autobahn-Kontrollpunkten im Landesinnern erzielen, für die es in Deutschland aber keine Rechtsgrundlage gibt. Die bayerischen Schleierfahnder, die bis 30 Kilometer hinter der Grenze operieren, haben nach Angaben des Münchner Innenministeriums im ersten Halbjahr mehr als 10 000 Verdächtige aufgegriffen.

Unabhängig von den wiederkehrenden Debatten über eine Verlängerung der Kontrollen haben die drei Kontrollpunkte an den Autobahnen immer festere Formen angenommen. Längst wird der Verkehr dort auf zwei Spuren kontrolliert, um die Rückstaus nicht noch länger werden zu lassen. Trotzdem gehören die Wartezeiten bei der Einreise zum festen Repertoire im Verkehrsfunk. Auf der A 8 am Walserberg betrug die Wartezeit aus Richtung Salzburg nach Angaben der österreichischen Autobahngesellschaft Asfinag am Freitagmittag 24 Minuten, bei Kiefersfelden waren es sieben, bei Passau sechs Minuten.

Bei längeren Staus auf den Autobahnen weichen viele Fahrer auf andere Übergänge aus. Dann staut sich auch dort der Verkehr, ganz ohne eigene Grenzkontrolle. Pendler und grenznahe Einzelhändler klagen seit Einführung der Kontrollen über Zeitverlust und Umsatzeinbußen, einzelne Firmen habe ihre Schichtpläne geändert, um die schlimmsten Stauzeiten zu vermeiden. Seriöse Schätzungen zu den volkswirtschaftlichen Kosten gibt es bisher ebenso wenig wie offizielle Angaben zu den Kosten des Polizeieinsatzes.

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SZ vom 16.09.2017
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