Süddeutsche Zeitung

G-20-Gipfel in Hangzhou:Blauer Himmel über Hangzhou, der Partei sei Dank

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Von Kai Strittmatter, Peking

Paradies auf Erden? Hangzhou wenigstens muss sich für so einen Spruch nicht wirklich schämen. Eine alte Kaiserstadt, in der heute eines von Chinas innovativsten Unternehmen sitzt (Jack Mas Alibaba). Marco Polo pries den Ort einst ebenso wie 700 Jahre später Mao Zedong. Irgendwie hat Hangzhou es anders als andere chinesische Städte geschafft, sein kulturelles Erbe und seine natürlichen Schätze in den letzten Jahrzehnten nicht komplett zu zerstören, sondern wenigstens Teile in bemerkenswerter Schönheit zu erhalten: Westsee, Bambuswälder, Teeberge, Tempelanlagen - die Staatsoberhäupter der G 20 fänden genug Gelegenheit zur Ablenkung.

Nun ist es aber einer der Glaubensgrundsätze von Chinas KP, dass es keinen Ort gibt, der sich nicht unter ihrer Anleitung verschönern ließe. Wichtig wird dieser Gipfel am Ende wohl weniger wegen möglicher Übereinkünfte sein. Wichtig ist er für China vor allem deshalb, weil sich das Land der Welt hier als führende Macht präsentieren möchte. Für Chinas Führer geht es vor allem um die Symbolik und um die Show.

Keine Moskitos, keine Fabrikabgase - und keine Kritik

Also haben sie Hangzhou zur makellosen Bühne herausgeputzt. Die Hangzhouer braucht man dazu nicht unbedingt, sie wurden in Urlaub geschickt: Eine Woche Ferien gibt es rund um den Gipfel für alle Hangzhouer, und damit sie auch wirklich auf Reisen gehen, erhielten noch im fernen Guizhou Touristenattraktionen die Anweisung, den Hangzhouern während dieser Woche freien Eintritt zu gewähren.

Von denen, die doch zu Hause blieben, haben sich der Staatspresse zufolge eine Million "Freiwillige" gemeldet, andere rufen Banner auf, für G 20 an der "Ausrottung der vier Plagen" zu arbeiten: keine Fliege, keine Kakerlake, kein Moskito, keine Ratte soll die Staatsgäste belästigen. Und wieder verfügte die Regierung die Stilllegung Hunderter Fabriken in fünf Nachbarprovinzen. Mit Erfolg: von Smog keine Spur, der Himmel ist blau wie nie. Oder doch: wie zuletzt während des Apec-Gipfels 2014 in Peking. Damals schwärmten Internetnutzer vom "Apec-Blau".

Für Hangzhou selbst gilt derweil: Zutritt verboten. Wo sonst Touristen flanieren, patrouilliert im Moment Sicherheitspersonal. Immerhin, die Polizistinnen, meldet der Staatssender CCTV stolz, seien allesamt "ernsthafte Schönheiten" und belegt die Behauptung mit einer Klickstrecke. Überhaupt braucht sich um die Sicherheit keiner zu sorgen: kein Gullydeckel, der nicht zugeschweißt wäre, keine Kochgasflasche, die noch ausgeliefert werden dürfte. Den aus Westchina zugereisten Uiguren gilt besonderes Augenmerk: Muslimische Restaurants wurden angewiesen, ihre uigurischen Köche nach Hause zu schicken, Hotels müssen jeden bei ihnen absteigenden Uiguren sofort der Polizei melden.

Die Presse wurde angewiesen, über die Unannehmlichkeiten, die der Gipfel den Hangzhouern eventuell verursacht, nicht zu berichten. Kritische Journalisten wie der Kommentator Wang Yongzhi erhielten Besuch von der Polizei, die ihm dringend nahelegte, sich erstens während des Gipfels von seiner Heimatstadt fernzuhalten und zweitens den Mund zu halten. Die Pekinger Global Times berichtete mahnend vom Parteifunktionär Guo Enping, der für zehn Tage eingesperrt wurde wegen seines Blogbeitrags "Hangzhou, schäme dich!", in dem er die Milliardenkosten zur Gipfelvorbereitung kritisierte. Hangzhous Parteisekretär versprach den Bürgern ein nagelneues Hangzhou: Man werde die Stadt "auf eine neue Ebene heben".

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SZ vom 03.09.2016
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