Süddeutsche Zeitung

Geschichte:Zwangsarbeit für die DDR

15 000 bis 30 000 Häftlinge wurden in der DDR jährlich zur Arbeit gezwungen. Eine Studie zeigt nun, welche große Rolle der Gefangeneneinsatz in der Wirtschaft spielte. Und warum es viele Unfälle gab.

Von Jens Schneider, Berlin

Zwischen 15 000 und 30 000 Strafgefangene jährlich wurden in der DDR zur Arbeit herangezogen, darunter auch politische Gefangene. Ohne die Häftlinge und ihre Arbeit hätte der SED-Staat schnell vor größeren Problemen gestanden. Sie seien an "neuralgischen Punkten" eingesetzt worden - dort, wo fast niemand freiwillig arbeiten wollte. "Die Strafgefangenenarbeit spielte deshalb eine gewichtige wirtschaftliche Rolle", lautet das Fazit einer neuen Studie. Jan Philipp Wölbern vom Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam hat die Hintergründe der "Zwangsarbeit im Strafvollzug der DDR" im Auftrag der Ost-Beauftragten der Bundesregierung Iris Gleicke (SPD) erforscht.

In den letzten Jahren war bekannt geworden, dass in der DDR auch für Unternehmen wie etwa Ikea von Häftlingen produziert wurde. Der Autor betont, dass Arbeit von Häftlingen grundsätzlich zunächst kein Skandal sei. Er verweist darauf, dass ihre Beschäftigung von den Vereinten Nationen gefordert wird. Auch viele ehemalige politische Gefangene der DDR hätten später positive Seiten der Arbeit betont: die Ablenkung, die Abwechslung.

Jedoch seien Häftlinge unter oft schweren Bedingungen für die Planerfüllung oder gar "Planüberfüllung" eingesetzt worden. Oft habe man sie trotz "körperlicher und gesundheitlicher Nichteignung" zu schwerer und schwerster Arbeit herangezogen, die Arbeitsbedingungen seien schlecht gewesen. Es habe, weil es am Arbeitsschutz mangelte, gravierende Verletzungen und Unfälle gegeben. Die Ostbeauftragte Gleicke schlug nun vor, dass seinerzeit beteiligte Firmen sich an der Einrichtung von Gedenkstätten beteiligen sollten. "Im DDR-Knast geschah systematisch Unrecht", sagte Gleicke, "Menschen wurden schamlos ausgebeutet".

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2532995
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 23.06.2015
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.