Süddeutsche Zeitung

Georgien:Nationalisten attackieren Teilnehmer bei Pride-Festival

Lesezeit: 1 min

Schon vor Beginn der Veranstaltung in Tiflis legen Gegner Brände. Die Veranstalter kritisieren, die Polizei habe nicht eingegriffen - und beschuldigen das georgische Innenministerium, im Voraus von dem geplanten Angriff gewusst zu haben.

Schwere Vorwürfe gegen die Polizei in der georgischen Hauptstadt Tiflis: Die Organisatoren eines Pride-Festivals für Toleranz geben den Sicherheitskräften eine Mitverantwortung für die schweren Ausschreitungen am Samstag. Dem lokalen Nachrichtenportal OC Media zufolge kritisieren die Veranstalter, dass die Polizei nicht eingegriffen habe und beschuldigen die georgische Regierung, an dem Angriff mitschuldig zu sein. "Die heutigen Entwicklungen zeigen, dass die Ereignisse im Voraus zwischen dem Innenministerium und der gewalttätigen Gruppe Alt-Info koordiniert wurden", heißt es in einer Stellungnahme, aus der OC Media zitiert.

Hunderte ultrakonservative Nationalisten hatten am Samstag in der Südkaukasusrepublik Georgien ein Pride-Festival gestürmt und dort schwere Verwüstung angerichtet. Sie verbrannten Regenbogenfahnen, Plakate und andere Gegenstände in der Hauptstadt Tiflis (Tbilissi), wie auf Bildern zu sehen war. Den Organisatoren zufolge wurden Stände und eine Veranstaltungsbühne schwer beschädigt. Die Veranstaltung musste schließlich abgebrochen werden.

Auch Präsidentin Salome Surabischwili schrieb bei Twitter, die von der Verfassung garantierten Freiheiten auf Versammlung und freie Meinungsäußerung seien verletzt worden. Sie warf den Sicherheitskräfte Versagen beim Schutz des Pride-Festivals vor. Sie seien auch nicht gegen die Gewalt eingeschritten, kritisierte die prowestliche Staatschefin, sie selbst kaum Machtbefugnisse hat. Die Sicherheitskräfte hätten versagt, das Pride-Festival zu schützen.

EU und USA verurteilen die Gewalt

Georgische Medien berichteten, dass die Angreifer verschiedener rechter Organisationen schwulenfeindliche Parolen gerufen und die Umzäunung der Festes durchbrochen hätten. Auch Geistliche der georgisch-orthodoxen Kirche beteiligten sich demnach an einem Protestmarsch, der zunächst friedlich begonnen hatte. Das Fest hatte der Abschluss einer Woche mit verschiedenen politischen, kulturellen und wissenschaftlichen Veranstaltungen werden sollen. Verletzt wurde laut Polizei niemand.

Die Vertretungen der EU und der USA in Georgien verurteilten die Gewalt. Die EU-Botschaft in Tiflis zeigte sich "enttäuscht". "Diejenigen, die zu Gewalt aufrufen und Gewalt ausüben, müssen vor Gericht gestellt werden", teilte die Vertretung bei Twitter mit. Offiziell strebt das Land in die EU. Die US-Botschaft appellierte an die georgische Regierung, die grundlegenden Menschenrechte aller Georgier zu schützen. Es sei undemokratisch, Gewalt und Einschüchterung einzusetzen, um andere Ansichten zum Schweigen zu bringen. "Das läuft Georgiens Geschichte von Toleranz, Mitgefühl und Pluralismus zuwider."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.6012793
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/dpa/lot
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.