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Studie zu Hortplätzen:So teuer wird der Ausbau der Ganztagsbetreuung

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Von Edeltraud Rattenhuber, München

In den kommenden Wochen und Monaten wird in vielen Familien Deutschlands wieder gebangt - denn es steht die Vergabe der Hortplätze für das neue Schuljahr an. Und da ernten viele Eltern vor allem in den alten Bundesländern zunächst einmal eine Absage. Wer keinen Platz ergattert, muss sich anderweitig behelfen, weicht zum Beispiel auf Betreuungsomas aus oder akzeptiert, schweren Herzens, nur einen Platz in der Mittagsbetreuung, obwohl er doch eine Ganztagsbetreuung bräuchte.

Vom im Koalitionsvertrag erklärten Ziel, bis 2025 ein Recht auf Ganztagsbetreuung auch im Grundschulalter anzubieten, ist Deutschland noch weit entfernt. Und damit auch von der Verbesserung von Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie besserer Bildungsgerechtigkeit - ebenfalls erklärte Ziele der Bundesregierung.

Nun aber soll sich etwas tun. Bei der Jugend- und Familienministerkonferenz, die am Donnerstag und Freitag in Weimar stattfindet, will Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) laut Medienberichten eine rasche Einigung mit den Ländern. Wie praktisch, dass genau zu diesem Termin das Deutsche Jugendinstitut (DJI) die bundesweiten Gesamtkosten für einen bedarfsgerechten Ausbau der Ganztagsbetreuung bis zum Jahr 2025 errechnet hat.

Ergebnis der Studie, die der Süddeutschen Zeitung vorab vorliegt: Will man alle aktuellen Elternwünsche durch ein entsprechendes Angebot abdecken, würden bis 2025 zwischen 322 000 und 665 000 zusätzliche Plätze benötigt - je nachdem, wie man rechnet, ob man also auch jene Eltern zählt, die "nur" eine Mittagsbetreuung brauchen, oder nur jene, die wirklich einen Ganztagsplatz haben wollen. Kosten würde das Bund und Länder zwischen 1,9 und 3,9 Milliarden an Investitionen bis 2025. Die jährlichen Betriebskosten nach Abschluss des Ausbaus liegen je nach Szenario bei 1,3 bis 2,6 Milliarden Euro.

Nach Angaben von Thomas Rauschenbach, dem Direktor des Deutschen Jugendinstituts, war es gar nicht so einfach, die Basisdaten für die Studie zusammenzustellen. "Aber wir wollten endlich einmal ermitteln, was das eigentlich alles kostet, damit wir die Zahlen greifbar machen," sagt er. In Deutschland sei es ja, wie immer, kompliziert. Es entscheide ja nicht eine Ebene alleine, bereits auf Bundesebene gebe es zwei Ressorts - Familie und Bildung. Und dann seien auf Länderebene die Kultus- sowie Jugend- und Sozialministerien involviert.

Drei Jahre lang hat das DJI gemäß dem Auftrag des Bundesfamilienministeriums den Bedarf der Eltern erhoben. 32 800 Familien wurden in einer Zufallsstichprobe ermittelt und befragt. In die vorliegende Ganztagsbetreuungsstudie flossen aber auch die jährliche Ganztagsschulstatistik der Kultusministerkonferenz sowie die amtliche Kinderbetreuungsstatistik der statistischen Ämter ein.

Ausgegangen wird laut Studienleiter Christian Alt von einer Vielzahl von Annahmen. Doch die laufen alle auf das gleiche heraus: Es wird teuer. Und die Plätze reichen bei Weitem nicht aus. So lag der von den Eltern genannte Bedarf an einem Ganztagsbetreuungsangebot im Grundschulalter 2017 bei 71 Prozent. Derzeit gibt es aber nur für 48 Prozent ein entsprechendes Ganztagsangebot. Zugrunde lag den Berechnungen eine Kinderzahl von 2,8 Millionen im Alter von 6,5 bis 10,5 Jahren.

Für die unterschiedlichen Formen der Ganztagesbetreuung legt die Studie zwei Varianten an Personalausstattung zugrunde. So wird für den gebundenen, also verpflichtenden Ganztag von einer Kombination aus 50 Prozent Lehrkräften, 50 Prozent Erziehern ausgegangen, für den offenen schulischen Ganztag und den Hort werden 100 Prozent Erzieher benötigt. Woher diese kommen sollen, ist kein Thema der Studie.

Doch in vielen Kitas fehlen jetzt schon Erzieher. Wenn nun auch die Ganztagsbetreuung ausgebaut werden soll, könnte sich der Erziehermangel weiter verschärfen. Rauschenbach sagt allerdings, dass auch soziale Arbeiter oder gar Studenten in der Ganztagsbetreuung infrage kämen. Im Moment gehe es für die Politik erst einmal darum, sich zu verpflichten, dass alle Kinder, die einen Platz benötigen, ihn auch bekommen. Dann werde man sicher auch über Qualitätskriterien sprechen müssen.

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Quelle:
SZ vom 15.05.2019
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