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Treffen in Biarritz:Die G7 müssen sich öffnen

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Die Treffen der Mächtigen gehören nicht abgeschafft. Nur durch Begegnungen von Angesicht zu Angesicht kann das Vertrauen entstehen, das es für eine multilaterale Politik zwingend braucht.

Kommentar von Nadia Pantel, Biarritz

Rund um Biarritz sind die Wiesen selbst im August saftig grün. Normalerweise stehen hier nur Kühe, dieses Jahr kommen Polizisten hinzu. Fährt man durch die Landschaft, steht das Verhältnis Tier zu Ordnungshüter ungefähr eins zu zwei. 13 000 Einsatzkräfte sorgen dafür, dass das Treffen der Staatschefs der G 7 nicht gestört wird. In einem Umkreis von 30 Kilometern findet man kaum einen Kreisverkehr, an dem keine Kontrollen durchgeführt werden. Für die Anwohner ist das recht lästig. Doch für die angereisten Politiker ist der Glaskuppeleffekt noch schlechter: Sie treffen sich in einer antiseptischen Welt.

Es wäre polemisch zu behaupten, den Mächtigen selbst gefalle das so. Gerade in Frankreich ist die terroristische Bedrohung eine reale Gefahr. Einer der Erfolge derjenigen, die Angst und Hass säen, liegt darin, dass sie Politiker dazu bringen, sich weiter einzumauern. Der Preis dieser Mauern ist hoch. Er liegt darin, auch diejenigen auszuschließen, an deren Ideen und Entwürfen für eine bessere Welt sich die Agenda der Gipfel immer wieder bedient.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat etwa den Kampf gegen Ungleichheiten zum Kernthema von G 7 erklärt.

Die Staatschefs profitieren unter anderem davon, dass sich Experten und Betroffene Gedanken darüber gemacht haben, welche Strategien die Emanzipation voranbringen. Doch die Bilder, die bei so einem G-7-Treffen entstehen, zeigen nicht, wie verschränkt die Realitäten sind. Sie zeigen hier die Welt der Gitarre spielenden Idealisten, dort die Welt der Politiker ohne Visionen, dafür mit Schlips und Kragen. Doch diejenigen, die man in Beamtendeutsch Akteure der Zivilgesellschaft nennt, gestalten unser Zusammenleben ebenso wie diejenigen, die wir wählen, damit sie uns politisch repräsentieren. Politiker sind auf die Erfahrung von Nichtregierungsorganisationen angewiesen.

Macron weiß das und hat sich deshalb bemüht, den Gipfel ein Stück weit zu öffnen. Doch statt einer Pforte ist nur ein kleines Guckloch entstanden. Die Zahl der Nichtpolitiker, die am Gipfel teilnehmen können, ist viel zu gering. Es stellt kein Sicherheitsproblem dar, sie zu erhöhen. Gleichzeitig sind die Proteste gegen die G 7 auch deshalb zu einer Mischung aus Folklore und Eskalation geworden, weil sie nur noch wie ein Ärgernis behandelt werden, nicht wie legitime Kritik.

Regelmäßig wird diskutiert, ob es nicht sinnvoller wäre, die G-7- und die G -20-Gipfel abzuschaffen. Eines der zentralen Argumente, um den immensen Aufwand dieser Gipfel zu rechtfertigen, liegt darin, dass erst durch Begegnungen von Angesicht zu Angesicht das Vertrauen entstehen kann, das es für eine multilaterale Politik zwingend braucht.

Gerade dieses Jahr, in dem mit dem britischen Premierminister Johnson und dem amerikanischen Präsidenten Trump gleich zwei Politiker teilnehmen, die für Abschottung statt für Zusammenarbeit stehen, gilt das Argument in besonderer Weise. Es kann nicht darum gehen, die G 7 aufzulösen, sondern darum, sie zu erweitern. Der überraschende Besuch des iranischen Außenministers Sarif zeigt, dass die G 7 nicht mehr nur über andere Staaten, sondern auch mit ihnen sprechen, dass Gastgeber Macron, unterstützt von Gästen wie Angela Merkel, versucht, Bewegung in den Atomkonflikt mit Teheran zu bringen. Das ist zumindest die richtige Richtung.

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Quelle:
SZ vom 26.08.2019
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