Süddeutsche Zeitung

Klima-Bewegung:Fridays for 29,95 Euro

Lesezeit: 2 min

Von Hannah Beitzer, Berlin

Für ihre Gegner sind sie privilegierte Mittelschichtkids, die aus ihrer behaglichen Situation heraus Verzicht anmahnen und von der Politik Lösungen für die Klimakrise fordern. Welche Auswirkungen ihre Forderungen auf weniger privilegierte Menschen hätten, sei den Mitläufern der "Fridays for Future" egal - so lautet schon seit Aufkommen der Protestbewegung die Kritik an ihr.

Seit einigen Tagen ist diese Kritik noch einmal lauter geworden. Neuen Stoff gibt ihr eine Crowdfunding-Kampagne, in der unter anderem Friday-for-Future-Sprecherin Luisa Neubauer für eine ungewöhnliche Veranstaltung wirbt: Am 12. Juni 2020 sollen 90 000 Menschen zu einer "Bürger*innenversammlung" im Berliner Olympiastadion zusammenkommen, um gemeinsam Petitionen zu unterzeichnen und einzureichen. Vom Klimawandel über den wahrgenommenen Rechtsruck im Land bis hin zu globaler Ungerechtigkeit seien alle Themen denkbar. "Die Inhalte, das Programm, die Petitionen sowie ein Starterpaket für die Teilnehmer*innen (ein Aktivist*innen-Rucksack) werden wir mit euch zusammen und unseren Partnern in den kommenden Monaten erarbeiten", heißt es in der Ankündigung. Diese Partner sind laut Kampagnentext unter anderem "Fridays for Future" und "Scientists for Future". Tickets für das "einzigartige Event" kosten 29,95 Euro.

Das kritisieren nun nicht mehr nur Gegner der Bewegung, die sich Schnitzel und Auto nicht von jungen Leuten madig machen lassen wollen. So distanzierte sich zum Beispiel die Frankfurter Ortsgruppe von "Fridays for Futures" auf Twitter von der Veranstaltung. "Demokratie muss für jeden zugänglich sein, egal in welcher finanziellen Lage der Mensch ist", schreiben die Frankfurter Aktivisten. Die Veranstaltung sei zudem intransparent organisiert und nicht mit anderen Aktivisten von "Fridays for Future" abgestimmt worden. Andere stoßen sich am Ort der "Bürger*innenversammlung", nämlich dem Berliner Olympiastadion. Das sei wegen seiner nationalsozialistischen Vergangenheit kein geeigneter Ort für eine demokratische Großveranstaltung.

Das geplante Großtreffen geht auf die Gründer des Berliner Start-ups "Einhorn" zurück, das vegane Kondome verkauft. Das Unternehmen hatte bereits vor einigen Monaten eine Petition mit entworfen, die den Bundestag aufforderte, die Mehrwertsteuer auf Tampons von 19 auf sieben Prozent zu senken - eine Forderung, die Erfolg hatte und die Initiatoren auf ihre neue Idee brachte. "Wir widmen dieses verrückte Ereignis allen, die sich machtlos fühlen, allen, die endlich eine positive Vision für sich, ihre Kinder und Enkelkinder mitgestalten wollen", schreiben sie. Nach zahlreichen Gesprächen mit politischen Akteuren hätten sie gemerkt: "An Lösungen mangelt es nicht. Sie erfahren lediglich zu wenig Aufmerksamkeit."

Drei Unterstützer bezahlten jeweils Karten für 1000 Personen

Und um diese Aufmerksamkeit zu erhalten, braucht es Geld. "Eine Großveranstaltung inklusive Stadionmiete, Security, Bühne, Technik, Gema etc. kostet eine Menge", heißt es auf der Seite. Tickets kaufen kann man nicht nur für sich selbst, sondern auch für andere. Einige Hundert Unterstützer haben davon schon Gebrauch gemacht, drei davon haben sogar für 29 950 Euro eine Eintrittskarte gekauft, mit der gleich 1000 Menschen Einlass ins Stadion erhalten. Die Soli-Karten sollen nach Abschluss des Crowdfunding an Menschen verlost werden, die sich den Eintritt sonst nicht leisten können. Einen garantierten Platz erhalten jedoch nur diejenigen, die sich ein Ticket selber kaufen. Kritiker der Veranstaltung halten das für ein problematisches Signal.

Fridays-for-Future-Sprecherin Luisa Neubauer hingegen schreibt auf Twitter: "Olympia kann und soll die wichtige Arbeit von Aktivistis nicht ersetzen." Es sei auch kein Ersatz für "Fridays for Future", sondern lediglich ein Zusatzangebot. "That's it." Und sie fände es "großartig", wenn diejenigen, die nun kostenlose Bürgerversammlungen forderten, diese einfach selbst organisieren würden.

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Quelle:
SZ vom 26.11.2019
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