Süddeutsche Zeitung

Freihandelsabkommen:Lammert droht mit "Nein" zu TTIP

Lesezeit: 1 min

Der Bundestagspräsident verlangt mehr Transparenz bei den Beratungen. Der Zugang zu Verhandlungstexten ist extrem eingeschränkt - Abgeordnete dürfen sie gar nicht sehen.

Von Robert Roßmann, Berlin

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hat mit einer Ablehnung des Freihandelsabkommens TTIP gedroht, falls die Verhandlungen darüber nicht transparenter werden. "Ich halte es für ausgeschlossen, dass der Bundestag einen Handelsvertrag zwischen der EU und den USA ratifizieren wird, dessen Zustandekommen er weder begleiten noch in alternativen Optionen beeinflussen konnte", sagte Lammert. Gemeinsam mit Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) halte er den "bisherigen äußerst begrenzten Zugang über die jeweiligen US-Botschaften für indiskutabel - sowohl für die Regierung wie für das Parlament". Er sei sich auch mit EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker einig, dass die relevanten Verhandlungsdokumente, insbesondere die Ergebnisse im Verhandlungsprozess, "allen Mitgliedstaaten der EU und dort neben den Regierungen auch den Parlamenten zugänglich sein müssen", sagte Lammert den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Er werde deshalb "darauf bestehen".

Lammert reagierte damit auf einen Bericht der Süddeutschen Zeitung von vor einer Woche. Darin wurde aus einem als geheim deklarierten Drahtbericht der Ständigen Vertretung Deutschlands bei der EU über die Sitzung des "Handelspolitischen Ausschusses" vom 14. Oktober zitiert. In diesem Ausschuss unterrichtet die EU-Kommission die Mitgliedstaaten über den Fortgang der TTIP-Verhandlungen. Der Drahtbericht offenbarte, dass trotz der Bemühungen von Lammert und Gabriel die Bundestagsabgeordneten weiterhin keinen Zugang zu den sogenannten konsolidierten Verhandlungstexten erhalten. Dabei handelt es sich um die Texte, die sowohl die Position der EU als auch die der USA kenntlich machen.

Bisher gibt es in Berlin nur eine Möglichkeit, diese konsolidierten Verhandlungstexte einzusehen. Der Leseraum dafür ist in der US-Botschaft, der Zugang zu dem Raum ist streng reglementiert. Die Modalitäten wurden zwischen EU-Kommission und US-Seite verhandelt und festgelegt. Demnach dürfen lediglich Regierungsvertreter den Leseraum nutzen, nicht aber Abgeordnete. Das zuständige Bundeswirtschaftsministerium hat der US-Botschaft deshalb nur 139 Beamte aus den Bundesministerien als Nutzer gemeldet, aber keine Parlamentarier.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2712054
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 29.10.2015
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.