Süddeutsche Zeitung

Freigelassener US-Soldat:Drohungen gegen Bergdahls Eltern

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Deserteur der US-Armee? Opfer der Taliban? Oder beides? Eine Woche nach Bowe Bergdahls Freilassung werden Details zu Misshandlungen während seiner Gefangenschaft bekannt. Gleichzeitig untersucht das FBI Drohungen gegen die Eltern des Soldaten.

Vor der Freilassung des US-Soldaten Bowe Bergdahl waren seine Eltern immer wieder im Fernsehen aufgetreten und hatten Kundgebungen abgehalten. Seit der Gefangenenübergabe hat man sie nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen. Das FBI untersucht nun Drohungen gegen sie. "Wir nehmen jede Drohung ernst", sagte ein Mitarbeiter des Geheimdienstes dem Fernsehsender CNN. Vater Bergdahl habe Morddrohungen in Form von vier Emails erhalten, schreibt die britische BBC unter Berufung auf Reuters.

Bergdahl war vor einer Woche im Austausch für fünf Terrorverdächtige aus dem Gefangenenlager Guantanamo Bay freigekommen. Er war fünf Jahre lang von Taliban in Afghanistan gefangengehalten worden.

Dies befeuert die Bergdahl-Kontroverse, die seit seiner Übergabe an US-Streitkräfte läuft. Er habe das Camp in Afghanistan freiwillig verlassen, heißt es in einer offiziellen Mitteilung. Also ein Deserteur, für dessen Rettung auch noch andere Soldaten ums Leben kamen? Dies könne nicht als gesichert gelten, verlautet es aus US-Militärkreisen. Um das herauszufinden, müsse man mit Bergdahl sprechen und seine Absichten kennenlernen.

Gleichzeitig treten ehemalige Kameraden und die Mutter eines Soldaten in Erscheinung. Die Mutter behauptet, ihr Söhne sei bei der Suche nach Bergdahl im Osten Afghanistans getötet worden. Insgesamt seien sechs Soldaten bei der Suche ums Leben gekommen. Das Pentagon wollte dies zunächst nicht bestätigen.

"Ich will, dass Bergdahl die Möglichkeit erhält, seine Geschichte zu erzählen", sagte die Mutter eines 2009 getöteten Soldaten der CNN. Auch andere Zeugen sollen vor Gericht aussagen, sagt sie. "Und dann möchte ich, dass er eine rechtlich angemessene Strafe erhält."

Ein Deserteur, für den andere Soldaten ums Leben kamen?

Eine allzu kritische Befragung lässt Bergdahls Zustand bisher jedoch nicht zu. Er werde weiter im rheinland-pfälzischen Landstuhl Regional Medical Centre, dem größten US-Krankenhaus außerhalb der USA, medizinisch und psychologisch behandelt. Dort hat er keinen Zugang zu Nachrichten und damit auch nicht zu den kritischen Berichten über seine Freilassung. Auf einen Brief seiner Schwester hat er nach Angaben der New York Times bisher nicht reagiert.

"Körperlich betrachtet könnte er sofort ins Flugzeug in die USA steigen", sagte ein US-Beamter der Zeitung. Er leide nicht unter Mangelernährung oder anderen Krankheiten, von denen die US-Regierung ausgegangen sei. Auf den Videos, die die Taliban veröffentlicht hatten, war ein schwächerer Bergdahl zusehen gewesen. Zur Vorbereitung der Freilassung könnten die Taliban ihn besser ernährt haben.

Ein missbrauchtes Opfer der Taliban?

Doch emotional sei Bergdahl bisher nicht bereit, in die USA zu fliegen und dort seine Familie wiederzusehen. Die Familienzusammenführung gilt als überwältigendster Moment nach Gefangenschaft. Auch entscheidende Fragen dazu, warum er vom Camp fortgegangen sei, habe man bisher ausgespart.

Hingegen wurden Einzelheiten zu Bergdahls Gefangenschaft bekannt: Er sei von den Taliban und dem islamistischen Haqqani-Netzwerk in der Nähe der pakistanischen Grenze gefangen gehalten und misshandelt worden. Er leide an einem seelischen Trauma, berichten CNN und die New York Times unter Berufung auf einen ranghohen US-Regierungsvertreter und einen medizinischen Betreuer Bergdahls.

Bergdahl habe während seiner Gefangenschaft zweimal versucht zu fliehen, sei aber gefasst und anschließend in eine Art Käfig gesperrt worden, berichtete die CNN. "Er hat gesagt, dass er in einem Haikäfig in völliger Dunkelheit gefangen gehalten wurde, wochenlang, möglicherweise monatelang", wird ein US-Beamter bei der New York Times zitiert. Von rauen Bedingungen könne ausgegangen werden, verlautete ein Beamter des Verteidigungsministeriums. "Das sind Taliban und keine Ammen."

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