Süddeutsche Zeitung

Frankreich: Clearstream-Prozess:"Ich habe Sarkozy nie gehasst"

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Die Zeugen im Clearstream-Prozess belasten ihn schwer, doch Frankreichs Ex-Premier Villepin will keine Kampagne gegen Präsident Sarkozy geführt haben.

S. Ulrich

Nach drei hitzigen Verhandlungswochen ist die Beweisaufnahme im Clearstream-Prozess zu Ende gegangen, und zum Abschluss demonstrierte Dominique de Villepin, der prominenteste Angeklagte, seine Entrüstung: "Ich weiß, dass der Staatsanwalt im Grunde seiner Seele gar nicht glaubt, dass ich irgendwie für diese Affäre verantwortlich bin. Aber seine Rolle verlangt das von ihm. Man braucht einen Sündenbock in dieser Geschichte."

Als Sündenbock sieht sich der französische Ex-Premier Villepin immer noch, obwohl er von Zeugen empfindlich belastet wurde. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, er habe sich an einer Rufmordkampagne gegen seinen politischen Rivalen Nicolas Sarkozy beteiligt, den heutigen Präsidenten. Doch Villepin beteuert vor dem Pariser Strafgericht: "Ich habe Sarkozy nie gehasst."

In den kommenden Tagen werden jetzt die Nebenkläger, die Staatsanwaltschaft und die Verteidigung ihre Anträge stellen. Danach urteilen die Richter im Clearstream-Fall. Sie müssen entscheiden, ob Villepin im Jahr 2004 gefälschte Kontenlisten des Luxemburger Finanzinstituts Clearstream der Justiz zuspielen ließ, um Sarkozy in den Verdacht zu bringen, Schwarzgeld zu waschen. Sarkozys Name befand sich auf den Listen.

In der komplexen, schwer zu durchschauenden Affäre gibt es neben Villepin drei Schlüsselfiguren: den Mitangeklagten Imad Lahoud, einen Informatiker, der nach Ansicht der Staatsanwaltschaft die Listen persönlich fälschte; den weiteren Mitangeklagten Jean-Louis Gergorin, einen früheren Vize-Chef des Luftfahrtkonzerns EADS, der die Fälschungen veranlasst und benutzt haben soll, um Rivalen auszuschalten; er soll auch Villepin bei der Verleumdung Sarkozys geholfen haben, indem er die Listen der Justiz zuschob; und schließlich den Zeugen Philippe Rondot, einen mythenumwobenen Geheimdienstgeneral, der in der Affäre ermittelte.

Am schwierigsten dürfte es für die Richter werden, Villepin zu beweisen, dass er von den Fälschungen wusste. Villepin war 2004 Außen- und dann Innenminister und wurde später vorübergehend Premier. Er beteuerte am Montagabend, er habe die Luxemburger Kontenlisten für echt gehalten. Daher sei es seine Pflicht als Diener des Staates gewesen, auf Aufklärung zu dringen. Soweit, so gut. Doch hier beginnen die Widersprüche. Villepin behauptet, bei einem Teffen mit dem Geheimdienstler Rondot im Januar 2004 sei in der Clearstreamaffäre noch gar nicht von Sarkozy die Rede gewesen. Der General versichert, das Gespräch habe sich sehr wohl um den damaligen Finanzminister Sarkozy gedreht.

"Wenn wir auftauchen, gehen wir hoch"

Rondot machte als Zeuge vor Gericht einen sicheren Eindruck. Er stützte sich bei seiner Aussage auf seine Tagebücher, die er als Geheimdienstoffizer penibel führte. Darin wird Villepin weiter belastet. So soll Villepin im März 2004 in einem Telefonat mit Rondot gefordert haben, die Freilassung Imad Lahouds zu erwirken. Der Informatiker befand sich seinerzeit wegen einer anderen Sache in Polizeigewahrsam.

Desweiteren behauptet der General, er habe Villepin im Juli 2004 darüber informiert, dass die Sache mit den Kontenlisten wahrscheinlich ein Komplott sei. Villepin habe daraufhin gesagt: "Wenn wir auftauchen, der PR (Präsident der Republik, damals Jacques Chirac, d. Red.) und ich, gehen wir hoch."

Villepin hat auch dies vehement bestritten. Er zweifelt die Zuverlässigkeit der Aufzeichnungen Rondots an. Zudem fordert er das Gericht auf, sich doch einmal in seine damalige Motivlage hineinzuversetzen. Er habe es sich doch nie leisten können, sich in eine solche Verleumdungskampagne zu verstricken. Das hätte ja seinen "politischen Tod" bedeutet. "Es wäre, als hätte man nicht den Sinn für das eigene Überleben und die Ehre." Tatsächlich ist Villepin derzeit politisch ein toter Mann. Sollte das Gericht ihn jedoch freisprechen, wird er wieder auferstehen.

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