Süddeutsche Zeitung

Flüchtlinge:Migrationsforscher beklagen Populismus in der politischen Mitte

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Namhafte Migrationsforscher warnen die Parteien der politischen Mitte vor Populismus bei Fragen zu Integration und Einwanderung. Man beobachte einen "in weiten Teilen irrationalen Gefährdungsdiskurs", heißt es in einem Papier des Vereins, das an diesem Freitag in Berlin vorgestellt wurde. Der "Rat für Migration" ist ein Zusammenschluss von rund 150 Wissenschaftlern, die zu Migration und Integration forschen und die Politik zu diesen Themen kritisch begleiten.

Die Bundesregierung habe sich zumindest teilweise rechtspopulistische Forderungen zu eigen gemacht, sagte der Vorsitzende des Rats für Migration, Werner Schiffauer, bei der Vorstellung des Manifests.

Dieser Gefährdungsdiskurs bestimme nicht nur die Rhetorik rechtsextremer Strömungen und rechtspopulistischer Parteien. "Auch in den Parteien der politischen Mitte sind entsprechende Äußerungen zu beobachten", heißt es, ohne dass konkrete Parteien genannt werden.

Migration etwa werde dann als Bedrohung für die innere Sicherheit, für die Sozialsysteme und für die kulturelle Identität dargestellt. Statt sachlich zu argumentieren, würden sich Parteien und Politiker immer wieder populistischer Positionen bedienen.

Fortschritte, die mit Blick auf die Integration gemacht worden seien, würden rückgängig gemacht. Von der CSU würden Menschen, die sich für eine faire Behandlung der Flüchtlinge und Integration einsetzten, als "gesinnungsethische Gutmenschen" diffamiert.

Zu den Unterzeichnern des "Manifests für eine zukunftsfähige Migrations-, Flüchtlings- und Integrationspolitik" gehören neben Schiffauer auch der Direktor des Instituts für Soziologie der Freiburger Pädagogischen Hochschule, Albert Scherr, die Göttinger Islamwissenschaftlerin Riem Spielhaus und die Göttinger Kulturanthropologin Sabine Hess.

Probleme in der Migrationspoltik werden lediglich verschoben

Die aktuelle Politik biete keine langfristigen, zukunftsfähigen Lösungen, sondern nur kurzfristige und widersprüchliche Antworten auf internationale Herausforderungen, so Schiffauer. Die Probleme würden lediglich über die EU-Außengrenzen hinweg verschoben.

Albert Scherr sagt, dass von den über 450.000 Menschen, die Ende 2016 als anerkannte Flüchtlinge in Deutschland lebten, 75 Prozent nur einen befristeten Aufenthaltstitel gehabt hätten. Damit seien Integrationshemmnisse vorprogrammiert, so der Soziologe. Seiner Auffassung nach wäre es sinnvoller, allen Menschen, die faktisch in Deutschland bleiben werden, nach drei Jahren einen unbefristeten Aufenthaltstitel zu geben.

Die Migrationsexperten fordern in ihrem Manifest, "europäischer und globaler zu handeln". National seien die Herausforderungen durch die Migration nicht zu lösen. Notwendig sei eine "politische Leitkultur", die den Grund- und Menschenrechten verpflichtet sei. Die Politik müsse dafür sorgen, dass Einheimischen und Zugewanderten gleichberechtigt eine gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht werde.

Zudem dürften Debatten über Integration, Migration und Asyl nicht willkürlich vermengt werden. Die Autoren forderten unter anderem den Aufbau eines Integrationsfonds für die Kommunen und die Aufstockung des Etats der UN-Flüchtlingshilfe. Außerdem müssten legale Einwanderungswege für Bildungs- und Arbeitsmigration geschaffen werden.

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