Süddeutsche Zeitung

Flüchtlinge:Die Mindestlohn-Diskussion ist ein Ablenkungsmanöver

Die eigentlichen Brocken enthält das Integrationspapier der CDU an anderen Stellen. Die Partei hat erkannt: Wer Integration will, kann nicht nur Forderungen an die Flüchtlinge erheben.

Von Nico Fried

Bei der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns hat die große Koalition eine Ausnahme ins Gesetz geschrieben: Langzeitarbeitslose können für sechs Monate zu einem niedrigeren Gehalt beschäftigt werden. Damit sollte für Arbeitgeber ein Anreiz geschaffen werden, auch Menschen eine Chance zu geben, die sich mit der Aufnahme von Arbeit schwertun, warum auch immer.

Die CDU will diese Ausnahme nun auf anerkannte Flüchtlinge ausweiten. Das ist schwer nachvollziehbar, denn an Antriebskraft fehlt es Menschen, die Tausende Kilometer vor Krieg und Terror geflohen sind, offenkundig nicht. Man muss also Arbeitgeber nicht auch noch dafür belohnen, dass sie ihre Leute künftig aus einem größeren Angebot motivierter Arbeitskräfte auswählen können.

Ein wenig erscheint diese Diskussion ohnehin wie ein Ablenkungsmanöver. Denn die eigentlichen Brocken enthält das Integrationspapier der CDU an anderen Stellen: Stand bisher aus Sorge um die Leitkultur oft im Vordergrund, was Flüchtlingen abgefordert werden solle, so anerkennt die CDU nun auch die Defizite auf der Angebotsseite: Es braucht mehr Sprachkurse, mehr Förderung, mehr Integration. Das aber geht nicht ohne mehr Personal, mehr Flexibilität und mehr Geld. Diesen Missstand hat die Partei der Kanzlerin nun immerhin mal offen benannt, was indes nicht zu dem Irrglauben führen sollte, er sei damit schon behoben.

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Quelle:
SZ vom 15.02.2016
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