Süddeutsche Zeitung

Finnland:Regierung in Helsinki rückt nach rechts

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Von Silke Bigalke, Stockholm

Juha Sipilä, Finnlands designierter neuer Premier, hat nach wochenlangen Verhandlungen seine Regierungsmannschaft vorgestellt und damit viele Finnen überrascht. Denn sein Außenminister wird nicht der bekennende EU-Fan und bisherige Premier Alexander Stubb sein. Den Job bekommt stattdessen Timo Soini, EU-Kritiker und Chef der rechtspopulistischen Partei der Finnen, die zum ersten Mal an einer Regierung beteiligt ist.

Als die drei Parteichefs der neuen konservativ-liberalen Koalition am Mittwoch ihr Programm vorstellten, kam der neue Chefdiplomat ins Stolpern, als er das Verhältnis zur EU erklären wollte. Die EU-Mitgliedschaft sei "eine politische Entscheidung" und verbinde Finnland mit der westlichen Wertegemeinschaft. Jedoch: "Die Gemeinschaft muss reformiert werden. Wir müssen sie verbessern, damit wir ihren Bürgern besser dienen können."

Stubb wird neuer Finanzminister

Die Finnen selbst werden bei dem Auftritt weniger auf Soini als auf ihren neuen Finanzminister Alexander Stubb geschaut haben. Traditionell übernimmt in Finnland die zweitstärkste Partei im Parlament dieses Amt, und das sind die Rechtspopulisten vor Stubbs konservativer Nationaler Sammlungspartei. Stubb übernimmt mit dem Finanzministerium den wohl schwierigsten Posten.

Bis 2021 möchte die Regierung sechs Milliarden Euro einsparen, indem sie Sozialausgaben einfriert, im Bildungswesen kürzt und Unternehmen weniger unterstützt. Gleichzeitig muss sie zurück zu Wachstum finden, das Finnland nun seit drei Jahren fehlt. Die neue Regierung will dafür 1,6 Milliarden Euro in Infrastruktur investieren, finanziert durch die "Verwertung von staatlichem Eigentum", sagt Stubb. "Einige der Maßnahmen sind schmerzhaft, aber notwendig", so der designierte Finanzminister. Finnland sei in der EU immer ein Fürsprecher einer verantwortungsvollen Finanzpolitik gewesen. "Wir müssen leben, was wir predigen."

Nur Zypern und Koratien stehen in der EU wirtschaftlich schlechter da

Bislang gelingt das Finnland nicht. Sowohl der Schuldenstand als auch die Neuverschuldung sind höher, als Brüssel es erlaubt. Nur Zypern und Kroatien stehen wirtschaftlich schlechter da, zeigen Zahlen der EU-Kommission von Anfang Mai. Die Kommission erwägt nun ein Defizitverfahren und hat bis Juli Vorschläge aus Helsinki dazu gefordert, wie die Finnen ihren Haushalt ausgleichen möchten. Juha Sipilä hatte daraufhin angekündigt, Brüssel womöglich um Aufschub zu bitten, wie auch Frankreich es bereits getan hat.

Die Finnen hatten immer wenig Geduld mit EU-Ländern, die weniger diszipliniert gespart haben als sie selbst. Dies könnte ein Grund für den Erfolg der Rechtspopulisten sein. Timo Soini hatte vor der Wahl angekündigt, er werde weiteren Hilfen für Griechenland nicht zustimmen, sollte er Finanzminister werden. Nun darf er sich als Außenminister stattdessen auf die angespannten Beziehungen zum Nachbarn Russland konzentrieren.

Finnland will Nato-Beitritt prüfen

Die deutlichste Veränderung in der finnischen Außenpolitik ist dabei, dass die neue Regierung, anders als die vorherige, einen Nato-Beitritt nicht mehr ausschließt, sondern prüfen möchte. Soini betonte zudem, dass die Verteidigungskooperation mit Schweden ausgebaut werden solle. Die allgemeine Wehrpflicht, die andere EU-Länder längst abgeschafft oder ausgesetzt haben, bleibe die Basis für Finnlands Verteidigung.

Weitere Ministerposten wollte Juha Sipilä Ende der Woche bekanntgeben. Der frühere IT-Unternehmer ist der unerfahrenste der drei Parteichefs. Er plant, das Land wie eine Firma zu führen, die Verwaltung zu verschlanken und die Zahl der Ministerien von 18 auf 14 zu verringern. Sein Regierungsprogramm stellte er auf Schaubildern nach Art einer Powerpoint-Präsentation vor. Nachdem Arbeitsgruppen wochenlang an den Leitlinien gefeilt hatten, hat er vergangenes Wochenende alle noch einmal überprüft. "Einige davon sind so kryptisch, und ein IT-Ingenieur wie ich versteht nur, ob wir etwas nun tun oder nicht. Also muss ich sie noch einmal durchgehen", sagte er.

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SZ vom 28.05.2015
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