Süddeutsche Zeitung

FDP:Schöne Grüße eines Unbelehrbaren

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Die Bundes-Liberalen glauben, ihr Thüringen-Tief hinter sich gelassen zu haben. Doch völlig zurückgezogen hat sich der Mann, der es auslöste, noch nicht.

Von Daniel Brössler, Berlin

Es war ein Lob, wie man es als Parteichef gerne hört. Er traue Christian Lindner ein zweistelliges Ergebnis bei der Bundestagswahl zu, sagte dieser Tage ein prominenter FDP-Politiker, und halte ihn für den "besten Vorsitzenden und Spitzenkandidaten". Worte waren das, an denen aus der Sicht Lindners nichts verkehrt gewesen sein dürfte - außer dem Absender. Es war Thomas Kemmerich, FDP-Vorsitzender in Thüringen und der Mann, der Lindner so nah an den politischen Abgrund geführt hat wie sonst keiner. Und so kann auch nicht überraschen, dass die Liebesgrüße aus Erfurt im Magazin Cicero eher vergiftete waren. "Ich habe nicht gefoult, ich bin der Gefoulte", beharrte Kemmerich, was in der Berliner FDP-Zentrale seinen Ruf als unbelehrbar noch einmal gefestigt haben dürfte.

Paradoxerweise hat eine zuletzt auffallend aufgeräumte Stimmung bei den Liberalen auch und gerade mit dem Mann aus Thüringen zu tun. Christian Lindner und sein Umfeld sind aus mehreren Gründen überzeugt, die Kemmerich-Krise überwunden zu haben. Vor allem ein Faktum spricht dabei für Lindner. Im Gegensatz zu Annegret Kramp-Karrenbauer von der CDU ist er noch Parteichef - und das unangefochten. Lindner nimmt für sich in Anspruch, Kemmerich erfolgreich zum Rückzug gedrängt und so den Schaden für die FDP zumindest begrenzt zu haben.

Kemmerichs Rückzug ist ein Erfolg des neuen Generalsekretärs Wissing

Vor allem aber scheint fürs Erste ein Machtkampf entschieden zu sein, der in der Partei für größte Nervosität gesorgt hatte. Lange hatte sich Kemmerich die Option offengehalten, erneut als Spitzenkandidat bei der Landtagswahl in Thüringen anzutreten. In der FDP galt das als größtes anzunehmendes Risiko für die Bundestagswahl - ist man in der Partei doch überzeugt, dass die Wahl Kemmerichs zum Ministerpräsidenten mit Stimmen der AfD erheblich beigetragen hat zu permanent schlechten Umfragewerten. Seine erneute Kandidatur hätte den von Lindner ausgerufenen Kurs der unmissverständlichen Abgrenzung nach rechts auf gefährliche Weise konterkariert.

Erst im Dezember gab es Entwarnung. Kemmerich verzichtete auf eine Spitzenkandidatur, damit "der Wahlkampf nicht von Auseinandersetzungen um meine Person überlagert wird". Das konnten sich Lindner und vor allem sein neuer Generalsekretär Volker Wissing als Erfolg anrechnen, denn sie hatten zuvor die offene Konfrontation gesucht. Nachdem Kemmerich im Oktober in einem Tweet die "anderen demokratischen Parteien" für die Krise im Februar verantwortlich gemacht hatte, zimmerte Wissing binnen Stunden eine geschlossene Front aus Präsidium und 15 Landesvorsitzenden. Kemmerich wurde klargemacht, dass er im Falle einer Kandidatur keinerlei Unterstützung von der Bundespartei zu erwarten hätte. Vor allem aber, dass er isoliert ist außerhalb Thüringens. Wirklich ausgestanden ist die Causa Kemmerich dennoch nicht. Parteivorsitzender in Thüringen will er bleiben.

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