Süddeutsche Zeitung

"Fahrlässige Operation der CIA":Spiel mit der Bombe

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Der Sicherheitsexperte James Risen behauptet, US-Geheimdienste hätten Iran mit Bauplänen für eine Atombombe versorgt.

Hans Leyendecker

Der amerikanische Geheimdienst CIA soll im Februar 2000 Iran in einer Operation mit dem Namen "Merlin" Pläne zum Bau wichtiger Teile einer Atombombe zugespielt haben.

Das behauptet der für den Bereich Nationale Sicherheit bei der New York Times zuständige Autor James Risen in seinem neuen Buch "State of War - Die geheime Geschichte der CIA und der Bush-Administration", das in diesen Tagen in Deutschland erschienen ist.

Bei "einer der fahrlässigsten Operationen in der modernen Geschichte der CIA" habe der US-Geheimdienst einen früheren russischen Atomwissenschaftler als Strohmann angeworben, um iranischen Regierungsvertretern in Wien Entwürfe für einen Hochspannungsblock vom Typ TBA-480 zu übergeben.

Dabei habe es sich um die Bauanleitung für eine russische Atombombe gehandelt, die auch unter dem Namen "Zündsatz" bekannt ist. Die Pläne für "Zündsatz" habe sich, so Risen, die CIA von einem anderen Überläufer aus der russischen Waffenschmiede Arsamas-16 besorgt.

Politischer Sprengstoff

Mit einem solchen Hochspannungsblock lasse sich "eine perfekte Implosion herbeiführen, die innerhalb eines kleinen, sphärischen Kerns eine atomare Kettenreaktion auslösen" könne.

Allerdings habe die CIA in die Baupläne absichtlich Fehler eingebaut. Ziel der Operation sei ein "demütigender Rückschlag" für das iranische Atomprogramm gewesen. Die Wissenschaftler sollten demotiviert werden.

Nach Darstellung Risens fielen die Fehler dem russischen Wissenschaftler und Strohmann schon beim ersten Blick auf. "Hier stimmt was nicht", soll er einem CIA-Offizier gesagt haben.

Die eingebauten Fehler seien, so Risen, so leicht zu entdecken gewesen, dass die Iraner sie hätten korrigieren können. Der russische Wissenschaftler habe dann in Wien entgegen den Anweisungen der CIA den versiegelten Umschlag mit den Plänen geöffnet und "so behutsam wie möglich" die Iraner vor versteckten Fehlern gewarnt.

"Wenn Sie versuchen, ein ähnliches Gerät zu bauen, werden Sie einige praktische Fragen stellen müssen", habe der Russe in einem Begleitschreiben notiert. "Kein Problem. Sie werden Antworten bekommen, aber ich möchte dafür bezahlt werden... Nehmen Sie sich jetzt Zeit für eine professionelle Studie der beigelegten Dokumente."

Nur wenige Tage nachdem der Russe sein Päckchen an der iranischen Mission eingeworfen habe, soll ein iranischer Regierungsvertreter in Wien seinen Terminplan geändert haben und rasch in die Heimat zurückgeflogen sein. Ob mit oder ohne Päckchen, ist nicht klar.

Die CIA hat jedenfalls auf angeblich "schwerwiegende Ungenauigkeiten" in Risens Werk hingewiesen, aber ansonsten jeden Kommentar zur Operation "Merlin" abgelehnt.

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Quelle:
SZ vom 3.2.2006
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