Süddeutsche Zeitung

EZB in der Finanzkrise:Eine Bank jenseits deutscher Gerichte

Lesezeit: 2 min

Gauweilers Eilantrag wurde befeuert von nahezu narzistischem Überschwang. Denn de facto forderte er die Europäische Zentralbank auf, sich seiner Sicht der Dinge zu beugen. Dabei ist die EZB eine übernationale Institution - unabhängig von nationalen Regierungen und Parlamenten. Von den obersten deutschen Gerichten kann das Handeln der Bank gar nicht kontrolliert werden.

Kurt Kister

Es gibt eine bestimmte Sorte Männer fortgeschrittenen Alters, der es schwerfällt, der Welt ihre Überzeugungen nicht mitzuteilen. Sie wissen ganz sicher, dass sie im Recht sind, und deswegen schreiben sie Bücher, setzen sich in Talkshows, bevölkern Rednerpulte oder klagen auch schon mal vor dem Verfassungsgericht. Ganz recht, diese Männer heißen Todenhöfer oder Lafontaine, Baring oder Gauweiler.

Nein, es ist nicht sehr ungerecht, Peter Gauweiler da einzureihen. Seine Ablehnung des ESM-Rettungsschirms und die damit verbundene Klage gegen die Bundesregierung ist berechtigt, auch wenn man, anders als Gauweiler, den ESM, sein Zustandekommen und seine Haftungsklauseln für nicht verfassungswidrig hält.

Dass Gauweiler nun aber jenen Eilantrag nachgeschoben hat, in dem er de facto die Europäische Zentralbank (EZB) aufgefordert hat, sich seiner Sicht der Dinge zu beugen, ist nahezu narzisstischer Überschwang. Die EZB ist eine übernationale Institution, deren Handeln starken Einfluss auf die Euro-Staaten hat. Sie ist unabhängig von nationalen Regierungen und Parlamenten.

Im EZB-Rat wurde mit 16 zu 1 Stimmen der Ankauf von Staatsanleihen jener Länder beschlossen, die sich den EFSF- respektive ESM-Kontrollkriterien unterwerfen. Gewiss kann das Handeln der EZB von einem Gericht überprüft werden, aber eben nicht von den obersten Gerichten in Deutschland oder Frankreich, sondern allenfalls vom Europäischen Gerichtshof.

Die Sonderrolle der EZB ist den deutschen Verfassungsrichtern sehr bewusst. Schon vor dem Ankaufsbeschluss von vergangener Woche war klar, dass die EZB als eine Art Bail-out-Bank fungieren kann; sie hat dies früher bereits getan. Wer sich mit dieser Materie beschäftigt hat, der braucht nun wahrlich keinen "Feuer, Feuer!" schreienden Gauweiler. Das Gericht wird an diesem Mittwoch auch etwas zur EZB sagen. Es blieb bei diesem Termin, trotz Gauweilers Eilantrag auf Verschiebung; das heißt: Vielen Dank, wir haben uns auch ohne den Anstoß des geschätzten Klägers unsere Gedanken zur EZB gemacht.

Eine Institution, die höher steht als das Verfassungsgericht

Für die Karlsruher Richter ist dieses Sonderproblem neben der ohnehin schwierigen, weil hochpolitischen ESM-Entscheidung pikant. Das Verfassungsgericht verweist ungern darauf, dass es in Form des Europäischen Gerichtshofs bei bestimmten Konflikten eine Institution gibt, die höher steht als das für viele Deutsche nahezu sakrosankte Bundesverfassungsgericht.

Es gab allerdings auch jahrzehntelang keine übernationalen Institutionen, die nationale Souveränitätsrechte so stetig und so spürbar berührt hätten, wie das zum Beispiel jetzt die EZB tut. (Eine Ausnahme waren bestimmte Nato-Gremien.) Auch hier gilt, was im Zuge der Euro-Krise immer deutlicher wird: Das Grundgesetz in seiner heutigen Fassung hält nicht alle nötigen Antworten auf die Entwicklung der vergangenen 20 Jahre bereit - sodass manche Gerichtsentscheidung nicht in erster Linie verfassungsrechtlich, sondern politisch begründet werden muss.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1465253
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 12.09.2012
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.