Süddeutsche Zeitung

Extremismus:Seehofer warnt vor Gefahr von rechts

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Der Verfassungsschutz registriert so viele Rechtsextreme wie nie, davon 12700 mit Hang zur Gewalt. Der Innenminister nennt das Milieu "brandgefährlich". Im Mordfall Lübcke nimmt die Polizei zwei weitere Männer fest.

Von Georg Mascolo und Jens Schneider, Berlin

In Deutschland hat die Zahl der vom Verfassungsschutz erfassten Rechtsextremisten einen Höchststand erreicht. Bundesweit seien 24 100 Personen aus diesem Spektrum registriert worden, sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2018. Mehr als die Hälfte, nämlich 12 700 Rechtsextremisten, werde als gewaltorientiert eingestuft. Diese Zahlen seien "in Verbindung mit der hohen Waffenaffinität des rechtsextremistischen Spektrums ausgesprochen besorgniserregend", sagte der Innenminister. Der Rechtsextremismus sei "brandgefährlich". 2018 stiegen die Gewalttaten aus diesem Kreis um 3,2 Prozent an. Auffällig sei auch die Zunahme rechtsextremistischer Straftaten mit einem antisemitischen Motiv.

Mit Blick auf den Mord an dem hessischen Regierungspräsidenten Walter Lübcke sagte Seehofer, dass die Ermittler mit Hochdruck "der Frage nachgehen, ob der Beschuldigte auf ein Unterstützer-Umfeld innerhalb oder außerhalb der rechtsextremistischen Szene zurückgreifen konnte".

Nach dem Geständnis des Tatverdächtigen Stephan E. stellten Ermittler in einem Versteck die Tatwaffe sicher. Es wurden zwei weitere Männer festgenommen. Einer von ihnen soll Stephan E. die Tatwaffe beschafft, der zweite den Kontakt zu dem Waffenhändler vermittelt haben. Gegen beide Männer erließ der Ermittlungsrichter am Donnerstagabend Haftbefehl. Beiden Verhafteten wird Beihilfe zum Mord vorgeworfen. Die Ermittlungsbehörde geht nach Angaben ihres Sprechers davon aus, "dass die beiden Beschuldigten von der rechtsextremistischen Gesinnung des Stephan E. wussten". Man gehe derzeit aber nicht davon aus, dass die drei eine rechtsterroristische Vereinigung gebildet haben. Bislang gebe es auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die beiden Festgenommenen von Stephan E.s Anschlagsplänen Kenntnis gehabt hätten. Bei einem der beiden Männer handelt es sich um ein Mitglied der rechten Szene, er wurde vor 13 Jahren bei Ermittlungen zu einem NSU-Mord vernommen. Seehofer kündigte ein schärferes Vorgehen gegen das rechtsextremistische Spektrum an. "Ich habe mein Haus gebeten, diese Fragen intensiv zu prüfen, und wo immer es möglich ist, mir ein Verbot vorzuschlagen", sagte er am Donnerstag. Konkrete Gruppierungen nannte der Minister nicht. Er zählte aber die "Identitäre Bewegung" zu den "geistigen Brandstiftern.

Nach Einschätzung des Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, wird die rechtsextremistische Szene "immer differenzierter und auch selbstbewusster in ihrem Auftreten". Ihr Ziel sei die "Anschlussfähigkeit an die bürgerliche Mitte", dabei sei sie "anscheinend schon ein Stück weit erfolgreich", sagte er.

Seehofer wies zudem auf die hohe Gefährdungslage durch islamistische Gruppierungen hin. Die Zahl der linksextremistischen Straftaten sei zwar deutlich rückläufig, die Relevanz dieser Szene aber insgesamt nicht geringer geworden. Am Donnerstagabend demonstrierten in Kassel etwa 10 000 Menschen gegen rechte Gewalt.

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SZ vom 28.06.2019
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