Süddeutsche Zeitung

Ex-Agenten vor Gericht:Der Tote neben der Druckmaschine

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Im Juli 1983 wurde der kroatische Dissident Stjepan Durekovic in einer Garage in Wolfratshausen erschossen. Die Drahtzieher wurden nun verurteilt.

Von Ronen Steinke, München

Der Kroate Stjepan Ðureković war arglos, als er am 28. Juli 1983 die Garage in Wolfratshausen betrat. Nur zwei Vertraute wussten davon. Später in der Nacht wurde dort sein zusammengekrümmter Leichnam gefunden, von Kugeln durchlöchert, sein Schädel zertrümmert. Hatte der Schriftsteller Đureković Feinde?

Die beiden Männer, die jetzt in München nach einem zwei Jahre dauernden Prozess verurteilt worden sind, diesen Mord in Auftrag gegeben zu haben, waren zu der Zeit nicht im Land. Sie saßen in Kroatien, wo Josip Perković und Zdravko Mustač einen Geheimdienst der damaligen Sozialistischen Republik Jugoslawien leiteten. Von dort machten sie Jagd auf "Separatisten", auch im Ausland, so hat es der Staatsschutzsenat des Münchner Oberlandesgerichts am Mittwoch ausgedrückt, der die beiden Männer zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilte; Dissidenten sollten "mundtot gemacht werden". Wer Stjepan Đureković tötete an jenem Abend, bleibt aber weiter unbekannt.

Damit kommt ein Prozess zu Ende, der nicht nur in die ex-jugoslawische, sondern auch in die deutsche Zeitgeschichte geführt hat, und der nicht nur von Kroatien, sondern auch von Deutschland ein Stück Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit gefordert hat. Die Tat vom 28. Juli 1983 war ein Mord unter vielen, ein Teil einer ganzen Serie von Gewalttaten, welche die damalige Szene der jugoslawischen Exilanten in Deutschland einschüchtern sollte. Stjepan Ðureković war kroatischer Nationalist, damit Gegner des sozialistischen Regimes, das den Vielvölkerstaat auf dem Balkan zusammenhielt. Anders als manche Gesinnungsgenossen, die von Deutschland aus militante Aktionen planten, beließ er es beim friedlichen Protest: Auf einer alten Druckmaschine in Wolfratshausen bei München druckte er Broschüren mit Titeln wie "Der Kommunismus, ein einziger Betrug". So wie ihm erging es dann mehr als zwanzig jugoslawischen Dissidenten in Deutschland zwischen Ende der Sechziger- und Anfang der Achtzigerjahre, sie wurden ermordet.

Wenn jugoslawische Agenten hier zuschlugen, reagierten deutsche Behörden auffallend milde

Allerdings: Wenn jugoslawische Agenten in Deutschland zuschlugen, reagierten deutsche Sicherheitsbehörden auffallend milde. Die Regierungen von Willy Brandt, Helmut Schmidt und anfangs auch von Helmut Kohl betrachteten Jugoslawien als wichtigen Partner, als Toröffner in den kommunistischen Osten. Jugoslawische Agenten, die bei der Vorbereitung von Mordmissionen in Westdeutschland ertappt wurden, mussten allenfalls mit Ausweisung und Aufenthaltsverbot rechnen.

Die Geschichte hat dann bekanntlich eine scharfe Wendung genommen: Lange ein Partner des jugoslawischen Regimes, wandelte sich die Bundesrepublik 1991 zu einem Unterstützer just jener separatistischer Unabhängigkeitsbestrebungen, für die Männer wie der in Wolfratshausen ermordete Stjepan Đureković standen.

Wegen der damaligen Mordserie an ihnen läuft jetzt ein gutes Dutzend Ermittlungsverfahren in Deutschland, geführt von der Bundesanwaltschaft. Die Taten liegen drei Jahrzehnte zurück. Die Strafverfolgung ist erst spät in Gang gekommen.

Im vorigen Oktober hörte der Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts unter Vorsitz von Manfred Dauster dazu auch zwei ehemalige Spitzenpolitiker: Klaus von Dohnanyi (SPD), 88, und Gerhart Baum (FDP), 83. Baum, der von 1978 bis 1982 Bundesinnenminister war, habe geahnt, dass der jugoslawische Geheimdienst hinter den Morden an Dissidenten steckt, sagte er, das Ganze sei ein "Eingriff in Deutschlands Souveränität" gewesen. "Das konnten wir uns nicht bieten lassen, aber was sollten wir tun?" Dohnanyi, der von 1976 bis 1981 Staatsminister im Auswärtigen Amt war, fügte hinzu: "Aus heutiger Sicht ist es vielleicht schon erstaunlich, dass diese vielen Morde die innenpolitische Rolle nicht gespielt haben, die sie hätten spielen müssen." Angehörige deutscher Sicherheitsbehörden wurden in dem Prozess nicht befragt.

Das Urteil beschränkte sich dann ganz auf die Tatbeiträge der beiden Angeklagten, weiter in die deutsche Politik bohrte der Prozess letztlich nicht. Der ältere der beiden, Zdravko Mustač, 74, war zur Tatzeit politischer Leiter des Staatssicherheitsdienstes SDS. Er hat nach Überzeugung des Senats den Auftrag für den Mord erteilt, den sein Mitangeklagter als Chef der Abteilung zur Bekämpfung feindlicher Emigration vorbereitet habe. Der 71-jährige Josip Perković bediente sich dabei eines - schon früher verurteilten - Informanten, der sich in der Exilanten-Szene Ansehen verschafft und das Vertrauen Đurekovićs gewonnen hatte.

Der Schuldspruch und die lebenslange Freiheitsstrafe wegen Beihilfe zum Mord entsprechen dem, was die Bundesanwaltschaft in München beantragt hatte. Die Verteidigung hatte einen Freispruch gefordert und will in Revision gehen. Falls das Urteil rechtskräftig wird, können beide Verurteilte nach Angaben der Bundesanwaltschaft beantragen, ihre Haftstrafen in ihrer Heimat Kroatien zu verbüßen.

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SZ vom 04.08.2016
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