Süddeutsche Zeitung

Evangelische Kirche:Der sprachlose Bischof

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Christen brauchen eine Haltung. Und wer innerhalb der Kirche eine hohe Position einnimmt, muss mit Fehltritten offen umgehen.

Kommentar von Matthias Drobinski

Hat sich Carsten Rentzing vom Saulus zum Paulus gewandelt? Der Vergleich passt leider nicht auf den Noch-Bischof der Evangelischen Landeskirche Sachsens, der vor 30 Jahren in einer rechtsradikalen Zeitschrift Sätze schrieb, die weder mit dem Grundgesetz noch mit dem Evangelium in Deckung zu bringen sind. Paulus, der Missionar, redete offen über seine Vergangenheit als Christenverfolger, bei jeder Gelegenheit und mit großer Zerknirschung: Ich weiß, wie falsch ich damals lag, deshalb predige ich heute das Gegenteil.

Carsten Rentzing aber schwieg. Als es vor vier Jahren zur Wahl des sächsischen Landesbischofs ging, sagte er nicht: Es gibt eine Vergangenheit, die ich zutiefst bedaure - ach ja, vor zwei Jahren übrigens habe ich bei den Freunden von einst einen Vortrag gehalten, es wird mein letzter dort gewesen sein. Er hätte damit seine Wahl riskiert, aber es wäre ehrlich und mutig gewesen. Sicher teilt der heutige Rentzing nicht mehr die elitäre Demokratieverachtung von einst. Seinen Rücktritt haben aber nicht missgünstige Linksprotestanten bewirkt, die einen aufrechten Konservativen gemobbt haben.

Gerade in Sachsen, wo mehr als jeder vierte Wähler die AfD unterstützte, bräuchte die evangelische Kirche einen Bischof, der sich mit rechten Denkweisen auseinandersetzen kann. Es hätte gerade ein Konservativer wie Rentzing klar den Unterschied aufzeigen können zwischen jenem christlichen Konservatismus, der skeptisch gegenüber allen irdischen Ideologien zur Welt- und Menschheitsverbesserung bleibt, und den rechten Ideologen, die die Rettung der Nation durch Gruppenegoismus und die Abwertung anderer propagieren. Doch alles, was der bislang so schweigsame Bischof nun sagen würde, wäre wenig glaubwürdig.

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) aber wird diese Auseinandersetzung mit dem gewachsenen Rechtspopulismus schärfer führen müssen, als sie es selbst manchmal wahrhaben will - auch das zeigt der überraschende Fall des sächsischen Landesbischofs. Auch in der evangelischen Kirche sind die Rechten nicht die anderen. Sie gibt es im eigenen Milieu. So entschieden sich die EKD für die Rettung schiffbrüchiger Flüchtlinge einsetzt, so demonstrativ der Kirchentag die AfD nicht auf Podien lädt - in den Gemeinden, den Kirchenvorständen, den kirchlichen Verbänden gibt es Christen, die rechtes Gedankengut gar nicht so schlecht finden, bei Protestanten mehr noch als bei den Katholiken, ohne dass die das Problem dadurch los wären.

Die Auseinandersetzung suchen heißt zunächst: die Debatte führen und mit guten Argumenten widersprechen - was anstrengender ist, als sich bei Kerzenschein der gemeinsamen Meinung zu versichern. Der barmherzige Samariter tut viel für den unter die Räuber gefallenen Fremden - wo aber liegt die Grenze seines Engagements? Die Frage kann so schwierig zu beantworten sein wie jene, welchen Komfort- und Freiheitsverzicht die Bewahrung der Schöpfung fordert.

Die Auseinandersetzung heißt aber auch: klare Grenzen zu ziehen. Die Abwertung des Menschen wegen seiner Herkunft, Hautfarbe, Geschlecht oder sexueller Orientierung widerspricht der Botschaft Jesu. Und einen Rechtsstaat, der die Würde des Menschen zum obersten Ziel hat, sollten die Christen in Ehren halten - und nicht verachten, wie das bei den Rechten populär geworden ist.

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Quelle:
SZ vom 15.10.2019
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