Süddeutsche Zeitung

Europa:Bahn frei

Die EU kommt nur voran, wenn die Schnellen vorweglaufen dürfen.

Von Stefan Ulrich

Vor vielen Jahren forderten die Europapolitiker: keine Erweiterung ohne Vertiefung. Europa müsse zuerst enger zusammenrücken, bevor es neue Mitglieder aufnehme, sonst entfalte es zu wenig Bindekraft. Ein kluger Rat. Leider wurde er nicht befolgt. Die EU wuchs rasch auf 28 Staaten an, während es mit der Vertiefung nicht recht voranging. Das rächte sich in der Euro-Krise, beim Andrang der Flüchtlinge oder in der Außenpolitik. Bisweilen kann man den Eindruck gewinnen, jeder mache was er wolle. Gemeinsame Gesetze und Beschlüsse werden ignoriert, wenn sie nationalen Regierungen nicht passen. EU-Staaten wie Ungarn oder Polen fordern den Gemeinschaftsgeist besonders dreist heraus.

Jetzt setzt sich die Erkenntnis durch, dass es so nicht weitergeht. Die Vorstellungen der 28 Regierungen sind zu disparat, um im Gleichschritt voranzukommen. Daher wird von Angela Merkel und Jean-Claude Juncker gefordert, in verschiedenen Geschwindigkeiten weiterzumachen. Langsame, Verharrer und Rückwärtsmarschierer sollen die Schnellen nicht mehr aufhalten dürfen.

Die Modelle eines Europas verschiedener Geschwindigkeiten, konzentrischer Kreise oder von Kern und Peripherie sind alt - und dennoch aktuell. Werden sie jetzt beherzt umgesetzt, ist der Zerfall der EU zu stoppen. Und am Ende ist es besser, wenn ein Dutzend Staaten ein vereintes Europa schaffen, als wenn 28 heillos miteinander streiten.

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Quelle:
SZ vom 25.02.2017
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