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Einigung in der EU:Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit sollen teuer werden

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Mit einem neuen Mechanismus will die EU erstmals in ihrer Geschichte dafür sorgen, dass Mitgliedstaaten bei Missachtung von grundlegenden EU-Werten spürbar bestraft werden.

Regierungsvertreter aus EU-Staaten und das Europaparlament haben sich auf ein Verfahren zur Kürzung von EU-Mitteln bei bestimmten Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit geeinigt. Mit dem neuen Mechanismus könnte es erstmals in der Geschichte der Europäischen Union möglich werden, die Missachtung von grundlegenden EU-Werten im großen Stil finanziell zu ahnden.

Konkret soll dies zum Beispiel dann der Fall sein, wenn eine mangelnde Unabhängigkeit von Gerichten in einem Empfängerstaat den Missbrauch von EU-Mitteln ermöglicht oder ganz klar fördert. Vor allem Ungarn und Polen wurde zuletzt immer wieder vorgeworfen, den Einfluss der Regierung auf die Justiz auszubauen.

Brisant ist die Einigung, weil die Regierungen in Ungarn und Polen mit einer Blockade von wichtigen EU-Entscheidungen zum langfristigen Gemeinschaftshaushalt drohen, sollte der Rechtsstaatsmechanismus wirklich eingeführt werden. Dies könnte auch dazu führen, dass das geplante Corona-Konjunkturprogramm der EU nicht starten kann.

Bislang ermöglicht der Vertrag von Lissabon ein Verfahren gegen Mitgliedsländer, die grundlegende Werte der EU "verletzen". Folge kann ein Entzug des Stimmrechts sein. 2018 hatte das Europaparlament dieses Mittel gegen Ungarn eingesetzt, aufgrund von Korruption und dem Versuch, die Medien zu beeinflussen. 2017 ging die EU-Kommission gegen Polen vor, wo die Justizreform der Regierung die Unabhängigkeit der Gerichte bedrohte. Aber passiert ist wenig. Eine Schwäche des Artikel-7-Verfahrens ist, dass dafür Einstimmigkeit notwendig ist.

Bestrafungsinstrument schärfer als zuerst angedacht

Monika Hohlmeier (CSU), die Chefin des Haushaltskontrollausschusses im Europäischen Parlament, hatte jüngst darauf hingewiesen, dass "auch anderswo vieles bedenklich ins Rutschen" geraten sei. Eine Mehrheit der EU-Staaten hatte Ende September deshalb dafür gestimmt, Verhandlungen mit dem Parlament über den Mechanismus zu beginnen. Wegen des Drucks der Abgeordneten wird das Bestrafungsinstrument nun sogar schärfer werden, als es von der Mehrheit der EU-Staaten angedacht war.

So erreichte das Parlament beispielsweise, dass Strafen zeitlich schneller verhängt werden können und dass schon dann gehandelt werden könnte, wenn wegen Brüchen der Rechtsstaatlichkeit ein Missbrauch von EU-Mitteln droht. Der ursprünglich auf dem Tisch liegende Vorschlag sah vor, Kürzungen von EU-Finanzhilfen nur dann zu ermöglichen, wenn Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit "in hinreichend direkter Weise Einfluss" auf die Haushaltsführung und die finanziellen Interessen der Union haben.

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