Süddeutsche Zeitung

EU-Gipfel zu Kopenhagen:Milliarden - Hilfe und Selbsthilfe

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Als erste präsentiert die EU ein Angebot an die Entwicklungsländer. 7,2 Milliarden Euro sollen fließen - mehr als erwartet. Manchen reicht auch das nicht.

Oliver Bilger, Brüssel

Der Tag brachte das gewünschte Ergebnis. Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union einigten sich auf ihrem Gipfeltreffen in Brüssel auf Soforthilfen für Entwicklungsländer. Die EU sagt ärmeren Staaten in den Jahren 2010 bis 2012 insgesamt 7,2 Milliarden Euro an Finanzhilfen für den Klimaschutz zu.

Zuvor hatte Schwedens Regierungschef und derzeitiger Ratsvorsitzender Fredrik Reinfeldt nach der ersten Verhandlungsrunde am späten Donnerstagabend erklärt: "Wir werden die Nacht durcharbeiten. Morgen kriegen wir eine bessere Zahl als heute Abend". Mit den Worten "wir arbeiten noch daran, festzuhalten, was die europäischen Länder freiwillig bereit sind beizutragen", machte er deutlich, wie zäh die Verhandlungen in den Stunden zuvor liefen.

Mit ihrem am Freitagvormittag vorgelegten Angebot unterstreicht die Europäische Union ihre Vorreiterrolle bei der Schlussphase des Klimagipfels in Kopenhagen. Mit der milliardenschweren Hilfe will sie Schwung in die Verhandlungen bringen und den Klimagipfel zum Erfolg führen.

Die EU präsentierte als erste Gruppe von Industrieländern konkrete Zahlen, die auch noch höher sind als zunächst erwartet. Ursprünglich war von etwa sechs Milliarden Euro die Rede. Doch es regt sich auch Kritik: die versprochene Hilfe sei zu gering.

Für die Entwicklungsländer ist eine finanzielle Hilfe die Bedingung, um eigene Maßnahmen zu ergreifen. Mit dem Geld sollen die Staaten Folgen des Klimawandels mildern. Bundeskanzlerin Angela Merkel nannte die Einigung auf 7,2 Milliarden Euro "ein deutliches Signal an Kopenhagen". Deutschland beteiligt sich mit insgesamt 1,26 Milliarden Euro daran, 420 Millionen jährlich.

Es handele sich um zusätzliches Geld, betonte die Kanzlerin, die Summe sei ein "guter und vernünftiger Anteil". Alle 27 Mitgliedsstaaten tragen mit freiwilligen Beträgen zu den Finanzhilfen bei. "Das ist ein außerordentlich gutes, solidarisches Signal", sagte Merkel. Die Kanzlerin zeigte Verständnis dafür, dass Mitgliedsländer mit wirtschaftlichen Problemen sich nur in geringem Maße daran beteiligen. Die größten Geldgeber sind Frankreich und Großbritannien.

Die dänische Konferenzpräsidentin Connie Hedegaard erklärte, die Brüsseler Entscheidung sei ein Signal an die übrigen Industriestaaten: "Ich erwarte jetzt, dass andere Länder dem EU-Beispiel folgen." Auch der Chef des UN-Klimasekretariats, Yvo de Boer, sprach von einem Schub für die Verhandlungen über Finanzfragen. "Wir müssen jetzt sehen, was die anderen Industriestaaten auf den Tisch legen."

Reinfeldt räumte ein, dass ein Teil des Betrags umgeschichtete Gelder sind. Er nannte es eine Kombination aus alten und neuen Ressourcen. Wichtig sei, "dass es Geld ist, das wir jetzt für das Klimaproblem bestimmen".

Auch die Europäische Kommission habe einen Teil übernommen, sagte Ratsvorsitzender Reinfeldt. Insgesamt müssten weltweit 21 Milliarden Euro für die Start-Finanzierung zusammenkommen. "Wir fordern jetzt andere Länder auf, auch ihren Beitrag zu leisten." Mit diesen Beschlüssen beginne das Endspiel für Kopenhagen, sagte Kommissionspräsident José Manuel Barroso.

Merkel warnte allerdings vor zu frühem Optimismus für den Klimagipfel und rechnet mit komplizierten Schlussverhandlungen. Wichtig sei das politische Bekenntnis zum sogenannten Zwei-Grad-Ziel. "Das allein ist noch nicht der Erfolg, aber ohne das ist es aus meiner Sicht ein Misserfolg", erklärte die Kanzlerin.

Der letzte Gipfel unter der schwedischen Ratspräsidentschaft war gleichzeitig eine Premiere: Es war das erste Treffen der EU-Chefs nach Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages am 1. Dezember. Mit dem Reformvertrages gehen auch einige Änderungen einher, weshalb auch Beratungen über institutionelle Fragen auf der Tagesordnung standen.

Der Vertrag sieht vor, dass nicht mehr die 27 Außenminister an den EU-Gipfeln teilnehmen, was schon im Vorfeld des jüngsten Treffens zu Unmut unter einigen Betroffenen geführt hatte. Statt der Außenminister der Mitgliedsstaaten nimmt die neue EU-Außenministerin Catherine Ashton an den Treffen der Staats- und Regierungschefs teil.

Die künftigen Gipfel werden nicht mehr von den Regierungschefs des jeweiligen Landes geleitet, sondern vom ständigen EU-Ratspräsidenten Herman Van Rompuy. Der spielte diesmal allerdings noch eine Nebenrolle. Schweden durfte damit zum letzten Mal einen Gipfel leiten. Auf die Frage eines Journalisten, wo denn Van Rompuy sei, antwortete Reinfeldt: "Ich werde Herman sagen, dass Sie ihn vermissen."

Im Video: Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union haben sich auf ihrem Gipfel in Brüssel auf eine Anschubfinanzierung für den Klimaschutz in Entwicklungsländern in Höhe von 7,2 Milliarden Euro verständigt. Deutschland übernimmt davon knapp 1,3 Milliarden Euro. Weitere Videos finden Sie hier

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